Vom Krankenbett zum Titel: Jetzt will Sailer EM-Gold
Dortmund (dpa) - Der insgesamt elfte deutsche Meistertitel war wahrscheinlich der, mit dem Verena Sailer am wenigsten rechnen konnte. Noch wenige Tage vor ihrem Sieg in Dortmund lag die Sprinterin mit Fieber im Bett.
Jetzt zählt Sailer auch zu den Favoritinnen bei der Hallen-EM.
So leid es ihr tat, aber unmittelbar nach dem Gewinn ihrer elften deutschen Meisterschaft musste Verena Sailer die wartenden Autogrammsammler und Journalisten erst einmal vertrösten. „Ich muss mir ganz schnell etwas überziehen. Bin gleich wieder da“, sagte die schnellste Frau Deutschlands.
Das konnte jeder verstehen. Denn eigentlich hatte Sailer ihren Start bei dieser Hallen-DM in Dortmund schon so gut wie abgesagt nach einer fiebrigen Grippe. Doch dann trat sie am Samstag doch noch an, schlug über 60 Meter die große Nachwuchshoffnung Tatjana Pinto und blieb in 7,18 Sekunden auch bloß drei Hundertstel über ihrer persönlichen Bestleistung. Eine Woche vor der Hallen-EM in Göteborg war das noch einmal ein Ausrufezeichen der 100-Meter-Europameisterin von 2010. Und von all den nationalen Titeln, die sie im Laufe der Jahre in der Halle und im Freien geholt hat, war das wahrscheinlich ihr außergewöhnlichster.
„Letzte Woche lag ich noch mit Fieber im Bett und dachte mir: Das wird alles nichts mehr. Aber jetzt bin ich natürlich sehr zufrieden“, sagte die 27-Jährige. „Ich wollte unbedingt vor der EM in der nächsten Woche noch einen Wettkampf bestreiten.“
So sehr sich Sailer auch dagegen wehrt, aber bei den Europameisterschaften im Scandinavium von Göteborg zählt sie jetzt natürlich zu den Favoritinnen. Sie selbst sagt zwar dazu: „Unter den ersten Fünf in Europa sind wir sehr eng zusammen. Wenn man da nur einen kleinen Fehler macht, ist es schon vorbei.“ In ihrer bislang so starken Saisonbilanz findet sich allerdings rein gar nichts, was einen solchen Fehler oder eine kleine Formschwäche erwarten lässt.
Gleich bei ihrem zweiten Rennen in diesem Jahr besiegte die Mannheimerin bei einem Länderkampf in Glasgow die amtierende 100-Meter-Weltmeisterin Carmelita Jeter aus den USA. Mit Europameisterin Ivet Lalova (Bulgarien) kam sie Anfang des Monats in Karlsruhe zeitgleich ins Ziel. Gleich fünf ihrer besten sieben Zeiten über die 60 Meter lief Sailer in diesem noch jungen Jahr 2013.
Die Sprinterin hat dafür gleich zwei Erklärungen: Zum einen gönnte sie sich nach den Olympischen Spielen im vergangenen Jahr eine äußerst erholsame Auszeit von sieben Wochen. Danach kam ausgerechnet sie, die schon einmal fast die komplette Saison 2011 aufgrund von Achillessehnen-Problemen verpasst hatte, auch noch völlig beschwerdefrei durch die Wintervorbereitung. „Ich bin sehr gut durchtrainiert“, erklärte Sailer. „Deshalb hat mich auch diese Erkältung in den letzten Tagen nicht aus der Bahn geworfen.“
Anders als im Freien hat Sailer in der Halle noch keinen EM-Titel gewinnen können. Ihr größter Erfolg war dort bislang ein dritter Platz vor vier Jahren in Turin. Für Chef-Bundestrainer Idriss Gonschiska ist am kommenden Wochenende in Göteborg wieder mindestens eine Medaille drin. „Der positive Trend im Sprint-Bereich hat sich mit Julian Reus und Verena Sailer fortgesetzt“, sagte er. „Sie haben für die nächste Woche noch einmal Selbstvertrauen tanken können.“