Harting kontra DOSB: Kiste Bier für Olympiasieg
Daegu (dpa) - Diskus-Weltmeister Robert Harting ist zwar angeschlagen, kann aber noch kräftig austeilen: Mit markigen Worten hat sich der Berliner über die Prämien für Medaillengewinner beklagt und den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) angegriffen.
„Ein polnischer Olympiasieger kriegt nach Karriereende 2000 Euro monatlich bis ans Lebensende. Da braucht man in Polen gar nicht mehr arbeiten zu gehen. Wir kriegen als Olympiasieger eine Kiste Bier - ein Jahr lang. Wie behämmert ist das?“, sagte der Berliner kurz vor der WM in Daegu der Zeitschrift „Sport Bild“. Harting nahm von seinem Rundumschlag nichts zurück und sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Es geht mir nicht ums Geld. Mir geht es um die Maßnahmen nach einem Olympiasieg.“
Der Pole Piotr Malachowski hatte seinem Erzrivalen Harting bei der EM 2010 in Barcelona das Gold weggeschnappt. In Polen zahlt seit 2009 nicht der Sport, sondern die Regierung eine monatliche Rente für alle Medaillengewinner - allerdings nur 600 Euro und damit deutlich weniger als von Harting ins Spiel gebracht. In Deutschland belohnt die Sporthilfe Olympiasieger mit 15 000 Euro. „Mit 15 000 Euro, die man auch noch mit 47 Prozent versteuern muss, ist es doch nicht gegessen“, sagte Harting in dem dpa-Gespräch.
„Das muss man sich einmal reinziehen: Der DOSB lässt sich das Sponsoring teuer bezahlen, und wir kriegen dann eine Kiste Bier“, wetterte der Diskus-Riese in „Sport Bild“. „Super! Bier! So etwas Profanes. Oder fünf Prozent auf Reiseangebote. Fünf Prozent! Das sind fünf Euro von 100. Das ist total lächerlich. Da müsste man sich lieber etwas einfallen lassen, wie man Olympiasieger besser absichern kann.“
DOSB-Sprecher Michael Schirp reagierte betont gelassen und mit leichter Ironie auf die Vorwürfe des Weltmeisters. „Der DOSB drückt Robert Harting die Daumen, dass er seinen Titel bei der WM verteidigen kann und bei den Olympischen Spielen 2012 in London weit vorne landet, um in den Genuss weiterer Prämien zu kommen“, sagte Schirp. „In der laufenden Förderung durch die Deutsche Sporthilfe ist er ja bereits heute, so wie er als Jugendlicher an einer Eliteschule des Sports gefördert wurde.“
Bei der Leichtathletik-WM in Daegu/Südkorea ist der 26-jährige Berliner der einzige deutsche Titelverteidiger. Vor den am Samstag beginnenden Wettkämpfen sieht er die Leichtathletik extrem geschwächt. „Wir Deutschen machen zum Beispiel die Vorbereitung noch viel zu schlecht. Da agieren wir teilweise wie Anfänger“, kritisierte Harting. „Das sieht man dann auch an der Ausbeute der Medaillen. Zum Beispiel sind die Polen schlechter als wir. Aber die haben in der Leichtathletik schon 14 Wochen Trainingslager gehabt. Das war voll finanziert. Da steht eine ganze Nation dahinter. In Deutschland lässt das sehr zu wünschen übrig.“ DLV-Präsident Clemens Prokop meinte dazu: „Kein Kommentar.“
Bei dem ganzen Stress gönnt sich Harting auch seine Freiheiten. „Jetzt mache ich einfach, was ich will. Ich kann nicht mein ganzes Leben nach dem Werfen umstellen. Mal einen Donnerstagabend mit Freunden rumhängen, in eine Bar gehen, sich danebenbenehmen, die Bedienung bequatschen, das Lokal zerlegen und dann wieder gehen“, sagte der 26-Jährige. „Ich fühle mich wieder viel dynamischer. Ich glaube, dass ich so noch mehr Leistung bei der WM herausholen kann.“
Harting ist als Polterer und Provozierer bekannt und dabei schon öfter übers Ziel hinausgeschossen. Noch vor vier Wochen bei den deutschen Meisterschaften in Kassel hatte er sich über seine derzeitige Zahmheit beklagt: „Ich fand mich zu gelassen, bin aber im Begriff der Alte zu werden, nicht das langweilige Bürschchen.“
Der Vize-Europameister plagt sich vor seinem WM-Auftritt bei der Qualifikation am Montag mit einer entzündeten Patellasehne im linken Knie. Trotz Schmerzen will er seinen Titel in Südkorea unbedingt verteidigen. „Ich habe mich zehn Wochen unter äußersten Bedingungen durchgekämpft, und jetzt werde ich das Ganze nicht in den Dreck werfen. Ich kämpfe bis zum Schluss“, sagte Harting. „Ich muss ranklotzen. Viel mit Technik wird da nicht zu machen sein.“