Radsport/Tour de France: Nach Paris bleiben Fragen

Die Tour hat 2008 eine ruhige Ausgabe erlebt – gemessen allein an sich selbst.

Paris. Ohne Misstöne ging es natürlich auch nicht in Paris ab. Die Protagonisten der Tour de France bewegen sich dauerhaft in einem fragilen Gebilde zwischen gegenseitigem Respekt und Zweifeln.

Cadel Evans, erneut knapp am Triumph vorbei geschlittert, ließ seinem Frust verklausuliert freien Lauf: "Was passiert hier, habe ich mich gefragt, als ich die Ergebnisse von drei, vier Fahrern im Zeitfahren gehört hatte. Einige haben mich wirklich überrascht", murrte der Australier, der von vielen schon im Gelben Trikot auf den Champs Elysees gesehen wurde.

Aber auf den 53 Kilometern von Cerilly nach Saint-Amand-Montrond konnte er den Rückstand auf Carlos Sastre am Samstag im entscheidenden Zeitfahren nur um 29 Sekunden verkürzen. Der 33 Jahre alte Spanier, der sich auf dem Zielstrich bekreuzigte, ist der leise Gewinner der 95. Tour de France.

Am Sonntag wurde zum Abschluss die 21. Etappe von Etampes nach Paris über 143 Kilometer bestritten. Gert Steegmans (Belgien) entschied vor Gerald Ciolek (Köln/Team Columbia) den Schlussprint für sich. 3559 Kilometer waren absolviert.

Die Rundfahrt durch Frankreich hat nach zwei chaotischen Austragungen 2006 und 2007 eine in diesem Vergleich ruhigere Ausgabe erlebt. Carlos Sastre, der Sieger, ist weder so richtig "alte Schule" noch "neue Generation". Er hat sich hochgearbeitet, nimmt für sich einen Erfolg ohne jedwede unerlaubte Hilfestellung in Anspruch.

Auch wenn Evans, im Vorjahr schon mosernd nach dem 23-sekündigen Rückstand auf den zugegebenermaßen umstrittenen Gesamtsieger Alberto Contador, Zweifel streut. Doch Sastres Zeitfahren mit Platz zwölf war nichts Außerordentliches, der Madrilene hatte bei seiner Solofahrt nach Alpe d´Huez den Grundstein für Gelb gelegt, und vielmehr versagten dem sensiblen Evans die Nerven.

Oder vielleicht hatte er die unglaubliche Entwicklung von Bernhard Kohl im Auge, der im Hochgebirge unbeirrbar Bestandteil der Spitzengruppe gewesen war, und auch im Zeitfahren als Neunter glänzte. Zudem feierte Gerolsteiner durch den neuen "Zeitfahr-Überflieger" Stefan Schumacher wieder einen Tagessieg im Kampf gegen die Uhr. Die üblichen Verdächtigen im Radsport sind vor allem die Pedaleure an der Spitze, so gesehen sind Nachrücker wie Kohl suspekt. Eine Berufskrankheit.

Verdächtigungen und Spekulationen - die Tour führte 415 Dopingkontrollen durch, weitere 15 organisierte das Italienische Olympische Komitee CONI. Gerolsteiner-Chef Hans-Michael Holczer fordert tagtägliches Misstrauen. Das gilt dann besonders auch für seine überaus erfolgreiche Mannschaft, zumal Bernhard Kohl als Bergkönig und Gesamtdritter fast aus dem Nichts kam.

Der letzte Akt der Tour: Der Kasache Dimitri Fofonow ist als vierter Radprofi dieser Tage des Dopings überführt worden. Der 31-jährige vom Team Crédit Agricole ist positiv auf das stimulierende Präparat Heptaminol getestet worden. Fofonow wurde sofort von seinem Team gekündigt. Der Abschied des Sponsors stand schon vorher fest.