Nachruf Rudi Assauer - Der vorletzte seiner Art
Osnabrück · Rudi Assauer war der erste Bundesligaprofi, der Manager wurde. Er verkörperte einen Typus Fußball-Macher, dessen Zeit vorbei ist, weil sich der Fußball verändert hat.
Der Mann hieß Wolff, Hansi Wolff. Er beherrschte den SV Werder Bremen so sehr, dass der Schnack ging: „Hansi Werder vom Sportverein Wolff“. Er war ein Strippenzieher alter Schule, nach außen ein Biedermann, auf dessen Visitenkarte schlicht „Geschäftsführer“ stand, in Wirklichkeit ein Mann, der alle Tricks kannte und anwendete. Über 30 Jahre bestimmte er Werders Weg, bis Mitte der Siebzigerjahre war er der heimliche Boss, der Trainer entließ und Spieler verpflichtete.
Und nun sollte ihn dieser junge Schnösel ablösen. 32 Jahre alt, ein Werder-Profi, der Bankkaufmann gelernt hatte. „Der Mann ist ungeeignet“, teilte Wolff knapp mit. Und begann hinter den Kulissen, sein Reich zu sichern vor dem Eindringling.
So begann 1976 die Manager-Karriere von Rudi Assauer: Er war der „junge Schnösel“, den das auf Reformkurs steuernde Werder-Präsidium zum Manager machen wollte. Und er gewann den Machtkampf gegen den Mann, dessen Zeiten vorbei und dessen Methoden überholt waren.
Assauer war der erste Bundesligaprofi, der Bundesliga-Manager wurde; kurios übrigens, dass bei Werder auch der erste ehemalige Bundesligaspieler zum Trainer aufstieg: Hans Tilkowski, ehemaliger Mitspieler und Freund von Assauer.
Hire and fire
Freund? Lange war Tilkowski sauer auf den Mann, mit dem er 1966 bei Borussia Dortmund Europapokalsieger geworden war, denn Assauer hatte ihn im Bremer Abstiegskampf als Trainer entmachtet. Selbstbewusst bis ins Mark und knallhart auch gegen Freunde und Kumpel, wenn es um die Sache ging – so war Assauer schon in Bremen, und so blieb er. Er feuerte den jungen Frank Neubarth auf Schalke, wenige Monate, nachdem er ihn geholt hatte: „Wir haben uns einvernehmlich getrennt, nachdem ich gesagt hatte, wir machen nicht weiter“ – in diesem Satz steckt das ganze Selbstverständnis Assauers; er wirkt heute außerdem wie eine Persiflage auf die um den heißen Brei herumredenden neuen Bosse. Da, wo sie es nicht mal schaffen, elegant zu schwindeln, hat Rudi frech die Wahrheit gesagt getreu seinem Motto: „Wenn der Schnee schmilzt, sieht man, wo die Kacke liegt.“
Der schönste Bundesligaspieler
Auf Schalke schasste er gegen alle Widerstände den populären Jörg Berger, weil er den Glauben an ihn verloren hatte. Eine Bauchentscheidung, der eine andere folgte: die Verpflichtung des in Deutschland unbekannten Huub Stevens. Die Proteste der Schalker Fans waren massiv – später wählten sie Stevens zu ihrem Jahrhunderttrainer.
Und sie liebten den kantigen Rudi, der ihre Sprache sprach, gern mal ein lecker Pilsken zischte und Frauen gern mal wie ein Macho behandelte; ganz ernst nahm sich der einst von Frauen zum schönsten Bundesligaspieler gewählte Rudi Assauer dabei wohl nicht.
Er wurde einer der mächtigsten Manager der Bundesliga, er war das Gesicht des FC Schalke. Sein Wort hatte Gewicht, trotzig widersetzte er sich den modernen Zeiten: Die Anzug- und Aktentaschenträger mit den Diplomen in Sport-Ökonomie, die das Business-Sprech beherrschten, „aber vom Fußball keine Ahnung haben“, nahm er nicht für voll. Und dann kam da auch noch ein Trainer, der jede moderne Methode anwandte, aber selbst nicht mal Bundesliga gespielt hatte – unvorstellbar für einen wie Assauer. Beharrlich nannte er diesen Fußball-Professor auf einer Pressekonferenz „Rolf“ (statt Ralf) Rangnick.
Raue Schale, weicher Kern
Er blieb auch als Manager ein Fußballer seiner Zeit, er sprach die Sprache der Spieler, die ihn schätzten, denn sie erlebten, was viele ahnten: Unter seiner rauen Schale steckte ein weicher Kern. Wenn Rudi einem Fußballer helfen konnte, dann half er.
Manager seiner Art sind eine aussterbende Spezies, denn sie verkörperten eine Ära der Bundesliga, in der das Geld zu den Fußballern kam; es waren ehemalige Spieler, die als Trainer und Manager das Sagen hatten. Heute kommen die Business-Menschen zum Fußball, angelockt vom ganz großen Geld. Das war nicht mehr Rudi Assauers Welt, und auch nicht mehr die von Reiner Calmund, der ein Diplom für Schlitzohrigkeit, aber nicht für Sport-Ökonomie hatte. Auch Uli Hoeneß spürt das Ende dieser Ära, den Wechsel der Generationen. Wahrscheinlich genauso schmerzhaft wie damals Hansi Wolff.