WADA-Vorgehen sorgt für Irritation: Sieg für Blutdoper
Bonn (dpa) - Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat mit ihrem Rückzieher in der Erfurter Blutmanipulations-Affäre für Empörung und Irritation gesorgt.
„Das ist ein Sieg für diejenigen, die das Blut von Hochleistungssportlern manipulieren und von Sportlern, die das zulassen. Unfassbar“, sagte Dagmar Freitag, Vorsitzende des Bundestag-Sportausschusses der Nachrichtenagentur dpa. Die SPD-Politikerin schließt nicht aus, dass die WADA-Wende eine Neubewertung von Urteilen des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS) bei Fällen der Manipulation von Eigenblut zur Folge haben könnte.
Dubios ist, dass WADA-Vizepräsident Arne Ljungqvist als Vorsitzender der Medizin- und Wissenschaftskomitees nicht über die Vorgänge informiert war. „Dieser spezielle Fall ist in unseren Komitees in den letzte Monaten und davor nicht behandelt worden“, erklärte der Schwede dem „Deutschlandfunk“. Er müsse sich nun auf „die Suche“ nach Informationen machen. Dies ist deshalb merkwürdig, weil in der NADA-Mitteilung von Freitag steht, dass bei der „finalen Einschätzung“ des Falls „alle Gremien der WADA“ zurate gezogen worden seien.
Die WADA hatte der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) in Bonn überraschend mitgeteilt, dass die UV-Behandlung von Blut erst seit dem 1. Januar 2011 von den WADA-Regularien erfasst wird und die Methode erst durch einen damals neu aufgenommenen Paragrafen (M2.3) als verboten einzustufen ist. Zuvor hatte die WADA immer wieder explizit erklärt, die Methode sei nie erlaubt gewesen. Dies hatte der WADA-Justiziar Julien Sieveking seinem NADA-Kollegen Lars Mortsiefer bereits am 2. Mai 2011 per E-Mail mitgeteilt.
Von den 30 Athleten, die von dem Erfurter Sportmediziner Andreas Franke mit der UV-Bestrahlung behandelt worden sind, wird die Mehrzahl nicht mehr belangt werden können. Bisher hat die NADA nur zwei Verfahren vor dem Deutschen Sportschiedsgericht gegen eine Eisschnellläuferin und einen Radsportler eingeleitet. Beide Fälle fallen in die Zeit nach Januar 2011. „Die Mitteilung der WADA zeigt, dass die überlegte Vorgehensweise der NADA in der causa Erfurt richtig ist“, sagte die NADA-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann.
Offen ist nun aber, wie die NADA mit dem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten zur Rechtmäßigkeit der UV-Bestrahlung, die mit einer Reinjizierung von Blut verbunden ist, umgehen wird. „Die entscheidende Frage ist, wie die NADA regieren soll, wenn das Gutachten zu einem anderen Ergebnis kommt als die WADA“, sagte Freitag. „Wird die NADA dann auf das Gutachten verzichten?“
Das Gutachten wird im Übrigen von dem Tübinger Sportmediziner und Rechtsanwalt Heiko Striegel erstellt, der in verschiedenen Funktionen im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) tätig war. Auf der Erfurter Liste stehen auch Leichtathleten. Bis Ende Mai soll die Expertise vorliegen. Die NADA hat die WADA-Aussage schon als „richtungsweisend“ anerkannt.
Abzuwarten ist auch, welche Auswirkungen die WADA-Volte auf den CAS in Lausanne hat. „Die Rechtsprechung des CAS ist seit 2003 in die Richtung gegangen, Fälle mit Infusionen zu bestrafen“, sagte Doping-Fachmann Fritz Sörgel. „Das wird eine hochspannende Geschichte.“ Für SPD-Politikerin Dagmar Freitag ist deshalb unvorstellbar, „dass die WADA zehn Jahre gebraucht hat, um diesen Paragrafen zu präzisieren“.
Nach Sörgels Ansicht („Ich interpretiere nicht, ich nehme die Regel“) ist im WADA-Code auch vor Januar 2011 ein Verbot von Infusionen enthalten, es sei denn, sie seien zur notwendigen medizinischen Therapie eines Athleten unabdingbar. „Was WADA und NADA sich da leisten, ist kabarettreif“, kritisierte der Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) in Heroldsberg bei Nürnberg.