Analyse: Hamburg als Signal für Superwahljahr ungeeignet
Berlin/Hamburg (dpa) - Die Hamburger Bürgerschaftswahl ist nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen als Stimmungstest für das Superwahljahr ungeeignet.
Für 82 Prozent der Befragten habe die Lokalpolitik den Ausschlag für ihre Wahlentscheidung gegeben und nur für 16 Prozent die Bundesebene, heißt es in einer ersten Analyse nach der Wahl am Sonntag.
Die CDU, in Hamburg auf ihr schlechtestes Ergebnis nach dem Krieg gestürzt, hat gravierende Kompetenzverluste in vielen wichtigen Politikfeldern zu verzeichnen. Die SPD wurde demnach in allen Bevölkerungsgruppen klar stärkste Partei. Eine personell und inhaltlich überzeugende SPD mit einem denkbar schwachen politischen Gegner habe eindrucksvoll bewiesen, dass sie in der Hansestadt an ihre Zeiten als echte Volkspartei anschließen könne, heißt es in der Analyse.
Die Sozialdemokraten gelten laut Forschungsgruppe nicht nur bei den Hamburger Top-Themen Schule, Finanzen, Familie oder Wohnungsmarkt als kompetenteste Partei. Sie können den Christdemokraten selbst in bisherigen CDU-Domänen wie Wirtschaft und Arbeit klar den Rang ablaufen. In früherer hanseatischer SPD-Tradition erreichen sie weite Teile auch des urban-bürgerlichen Milieus. Mit hohem Ansehen und einem Herausforderer, der den Amtsinhaber in bisher unbekannter Dimension hinter sich lässt, ist die SPD für 69 Prozent der Befragten „die Partei, die am besten zu Hamburg passt“.
Beim Ansehen als Landespartei kann sich die SPD sichtbar verbessern und genießt mit 1,6 (2008: 1,1) auf der +5/-5-Skala die eindeutig höchste Reputation in der Stadt. Während die CDU auf minus 0,7 (2008: 1,5) einbricht, wird auch ihr grüner Ex-Partner im Senat mit minus 0,1 (2008: 0,5) kritischer gesehen. FDP (minus 1,3; 2008: minus 0,2) und Linke (minus 2,2; 2008: -2,5) liegen tief im Negativbereich.
Im Minus liegt in Hamburg auch der Erste Bürgermeister. Er ist so der erste Regierungschef mit Negativimage überhaupt: Konnte Amtsvorgänger Ole von Beust (CDU) vor drei Jahren noch mit 2,0 überzeugen, erreicht sein Nachfolger Christoph Ahlhaus (CDU) lediglich minus 0,6. SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz wird dagegen mit guten 2,0 bewertet und genießt eine parteiübergreifend positives Ansehen. 63 Prozent wollten Scholz und nur 20 Prozent Ahlhaus als Ersten Bürgermeister - nie zuvor sei ein Amtsinhaber auch nur annähernd heftig deklassiert worden, heißt es.
Die SPD wird in allen Bevölkerungsgruppen klar stärkste Partei. Bei Arbeitern erzielt sie 59 Prozent (plus 19 Prozentpunkte), ist aber auch bei Angestellten mit 52 Prozent (plus 19) und Beamten mit 52 Prozent (plus 18) stark. Innerhalb der Altersgruppen kommt die SPD mit 44 Prozent auf ihr - relativ - schwächstes Resultat bei den 18- bis 29-Jährigen (plus vier), bei den ab 60-Jährigen erreicht sie nach einem Plus von 24 Punkten jetzt 53 Prozent. Genau hier verliert die CDU dramatisch: Bei den ab 60-Jährigen halbiert sich praktisch der Zuspruch auf 29 Prozent (minus 27), bei den unter 60-jährigen Wählern schafft die CDU maximal 17 Prozent und liegt hier nur knapp vor den Grünen.
Die Grünen, die nach dem Koalitionsbruch in Hamburg nicht vom Bundestrend profitieren, werden nach gewohnten Mustern parallel zum formalen Bildungsniveau stärker. Sie erreichen bei Hochschulabsolventen mit 17 Prozent den stärksten Zuspruch, bleiben aber bei Haupt- und Realschulabsolventen schwach. Die FDP profitiert insgesamt vom Einbruch der CDU. Bei den ab 60-jährigen Männern, wo die CDU um 30 Punkte auf 27 Prozent einbricht, legt die FDP überproportional zu und erreicht hier zehn Prozent.