Analyse: Merkel und Sarkozy geben das Führungsduo

Paris (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kam durch den Hintereingang in den Elysée: Gastgeber Nicolas Sarkozy wollte ihr einen Empfang vor einem schnöden Baugerüst wohl nicht zumuten. Der Präsidentenpalast in Paris wird derzeit renoviert.

Merkel und Sarkozy auf der Baustelle - das hätte ein symbolträchtiges Negativ-Foto gegeben. Denn die Euro-Zone ist ebenfalls renovierungsbedürftig.

Bei ihrem Sondergipfel gaben sich beide dann als zupackende Bauleiter: Die Euro-Zone soll eine „echte Wirtschaftsregierung“ bekommen, alle 17 Staaten sollen sich die Schuldenbremse in ihre Verfassung schreiben. Die Finanztransaktionssteuer müsse auch bald umgesetzt werden. Berlin und Paris haben ihre Führungsrolle damit in Europa bekräftigt.

Die wirkliche Überraschung und der ganz große Paukenschlag blieben am Ende aber dann doch aus. Auch wenn Merkel das vorgeschlagene Maßnahmenpaket als eine „große Aufgabe“ lobte und Sarkozy es „sehr ehrgeizig“ nannte. Nicht umsonst hatte Berlin vor dem Gipfel der beiden unterschiedlichen Krisenmanager - sie eher zurückhaltend, er mit einem Hang zum Aktionismus - vor zu großen Erwartungen gewarnt.

Zentrale Vorschläge klingen denn auch recht bekannt. Mit der „echten Wirtschaftsregierung“ könnte immerhin zumindest im Ansatz ein Geburtsfehler der Währungsunion etwas behoben werden: die fehlende wirtschaftspolitische Abstimmung. Der Vorschlag bedeutet aber auch, dass weitere Kompetenzen auf eine neue Institution mit zusätzlichen Treffen der 17 Staats- und Regierungschefs abgegeben werden - neben den üblichen Gipfeln aller 27 EU-Staatenlenker.

Im Kern würde das gesamte bisherige EU-Gipfelkonstrukt der 27 nun - anfangs ebenfalls mit Ratspräsident Herman Van Rompuy an der Spitze - zusätzlich auf die Gruppe der Euro-Länder übertragen. In manchen Hauptstädten dürften erneut die Alarmglocken schrillen: Die Sorge vor Ausgrenzung ist groß, wie schon die heftige Debatte über den auf Drängen von Merkel festgezurrten Wettbewerbspakt gezeigt hatte.

Dass sich jetzt auch Paris klar für eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild ausspricht, dürfte auch der Sorge Sarkozys geschuldet sein, an den Finanzmärkten bei der Kreditwürdigkeit abgestraft zu werden. Die Bestnote der Bonitätswächter „AAA“ für Paris wackelt bedrohlich. Der jüngste Konjunktureinbruch hat die Situation kaum entspannt.

Sarkozy möchte die Schuldenbremse in Frankreich nicht zuletzt auch mit Blick auf die Präsidentschaftswahl im kommenden Frühjahr durchsetzen: Eine politische Maßnahme, die erstmal nichts kostet, aber dem Wähler die Entschlossenheit des Staatschefs in Haushaltsfragen demonstrieren soll.

Hinter den vorgeschlagenen „nationalen“ Schuldenobergrenzen stehen aber auch so noch Fragezeichen. Das betrifft nicht nur die unterschiedliche Stabilitätskultur in den Euro-Ländern. Offen ist auch, wie verbindlich die Regeln in den jeweiligen Verfassungen festgeschrieben werden. Von automatischen Sanktionsmechanismen ist erst einmal keine Rede.

Rasche Regelungen in allen 17 Ländern sind hier ohnehin kaum zu erwarten - erinnert sei nur an das mühsame Tauziehen von Bund und Ländern in Deutschland in der Föderalismusreform. Nach der deutschen Schuldenregel hat der Bund von 2016 an nur noch einen kleinen Spielraum für neue Kredite, die Bundesländer müssen ihre Neuverschuldung bis zum Jahr 2020 sogar ganz auf Null drücken.

Noch handelt es sich lediglich um Vorschläge, die die beiden in einem gemeinsamen Brief Van Rompuy unterbreiten wollen. Ihre Schlagkraft wird sich zeigen. Merkel und Sarkozy mussten zuletzt auch die Erfahrung machen, dass Gipfel-Beschlüsse die Turbulenzen an Märkten und in der Euro-Zone nur kurzfristig eindämmen konnten.

Berlin und Frankreich gehen zumindest bei Themen voran, über die im Brüssler Konsens-Betrieb schon seit Jahren gestritten wird. Das betrifft etwa das leidige Thema bei der Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung. Hier wollen die beiden größten europäischen Volkswirtschaften jetzt Nägel mit Köpfen machen: Zumindest für Unternehmen in ihren beiden Länder wird eine einheitliche Berechnungsgrundlage und Harmonisierung der Steuersätze angestrebt.

Das könnte auch die Jahre langen erfolglosen Verhandlungen auf Ebene der 27 EU-Staaten vorantreiben. Die dazu nötige Einstimmigkeit steht immer noch in den Sternen. Auch bei einem anderen Streitthema gehen Berlin und Paris voran. Die Haushaltsplanungen sollen künftiger enger als bisher zwischen beiden Ländern abgestimmt werden. Auch hier zeichnet sich auf EU-Ebene alles andere als Einigkeit ab.