Spähaffäre: Europa erhöht Druck auf USA

Berlin/Straßburg (dpa) - Deutschland und die EU erhöhen den Druck auf die USA, den Abhörskandal ihrer Geheimdienste mit mutmaßlicher Datenspionage in diplomatischen Einrichtungen aufzuklären. Gleichzeitig prüft Berlin einen Asylantrag des Ex-Geheimdienstmitarbeiters Snowden, der die Datensammelei enthüllt hatte.

Die Fraktionsvorsitzenden des EU-Parlaments wollen am Donnerstag über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses entscheiden. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verlangte am Dienstag erneut von den USA Informationen. Er teilte mit, dass am Wochenende eine deutsche Delegation in die USA reise, um Aufklärung zu erhalten.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will baldmöglichst mit US-Präsident Barack Obama telefonieren. An diesem Mittwoch befasst sich das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags mit den Ausspähaktionen des US-Geheimdienstes NSA. Die Grünen beantragten eine Sondersitzung des Innenausschusses.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sagte im ARD- „Morgenmagazin“: „Die Vereinigten Staaten von Amerika spionieren jeden und alles aus und meinen, das sei rechtens. Und da muss man mal sagen: Das ist nicht rechtens, sondern das ist schlicht und ergreifend eine Provokation.“

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sprach von einer schweren Belastung für das angestrebte Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA. Das Abkommen sei zwar wichtig für mehr Wachstum und neue Arbeitsplätze. Die Vorwürfe müssten nun aber von den USA aufgeklärt werden, schrieb Rösler im Kurznachrichtendienst Twitter. Branchenexperten gehen davon aus, dass die NSA auch Daten großer deutscher Industriekonzerne abgefangen haben könnte.

Friedrich sagte, bisher gebe es keine Beweise oder Fakten, sondern nur Medienberichte dafür, dass die Bundesregierung, deutsche Botschaften oder deutsche Internetknoten ausgespäht wurden. Wäre das aber der Fall, wäre das eine Verletzung der Souveränitätsrechte Deutschlands. Dafür müssten sich die USA dann entschuldigen.

Er bestätigte ebenso wie Außenminister Guido Westerwelle (FDP), dass der von den USA verfolgte Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden schriftlich auch um Aufnahme in Deutschland gebeten habe. Asyl im eigentlichen Sinne könne er nicht beantragen, weil er dazu bereits in Deutschland sein müsste, sagte Friedrich. Nach seinen Angaben prüft das Auswärtige Amt nun, ob eine Aufnahme aus humanitären und völkerrechtlichen Gründen möglich sei. Die USA seien aber ein Rechtsstaat. „Am Ende glaube ich nicht, dass ein völkerrechtliches und humanitäres Argument zählen kann. Am Ende wird es möglicherweise eine politische Frage sein.“

Der Grünen-Innenexperte Wolfgang Wieland plädierte dafür, Snowden in Deutschland aufzunehmen. „Es ist schlecht, dass ein solcher Mann, der uns die Augen geöffnet hat für die umfassende Ausspähung unseres gesamten Internets und sonstigen Telekommunikationsverkehrs, nach China oder nach Russland gehen muss. In Europa wäre er besser aufgehoben“, sagte Wieland dem Fernsehsender Phoenix. Eine Auslieferung von Deutschland in die USA hält er für ausgeschlossen.

Die Piratenpartei rief alle Regierungen Europas, insbesondere aber Deutschlands auf, Snowdens Antrag auf politisches Asyl oder politischen Schutz umgehend zu gewähren.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), forderte ein Datenschutzabkommen zwischen der EU und den USA. „Darin müssen Standards für die Datenverwendung und Kontrollmechanismen festgeschrieben werden“, sagte er der „Berliner Zeitung“ (Dienstag). Linke-Chefin Katja Kipping sagte der „Passauer Neuen Presse“: „Snowdens Verhalten zeugt nicht nur von Zivilcourage - es ist dem eines Friedensnobelpreisträgers würdig.“