Autobranche: Taumelnde Riesen

Krise: GM droht die Tochter Opel mit in den Abgrund zu reißen. Ohne Hilfe droht die Pleite.

Los Angeles/Frankfurt. Die gesamte Autobranche ist mit der Finanzkrise ins Taumeln geraten - und ein Ende der ungebremsten Talfahrt ist nicht in Sicht. Fast täglich machen neue Hiobsbotschaften die Runde: Absatzeinbrüche, Produktionskürzungen, Stellenstreichungen, riesige Verluste und Rufe nach Milliarden-Hilfen vom Staat. Vor allem den US-Autobauern steht das Wasser bis zum Hals. Dort vereinen sich eine Konjunktur- und eine Strukturkrise. Nun droht der einstige Weltmarktführer General Motors (GM), auch seine deutsche Tochter Opel mit in den Abgrund zu reißen.

GM-Chef Rick Wagoner nannte die Krise eine der schwersten in der Geschichte der Autoindustrie. In den Augen seines Kollegen Alan Mulally von Ford ist sie "breiter, tiefer und länger als bisher erwartet". Allein GM erlitt in den vergangenen Monaten Verluste im hohen zweistelligen Milliardenbereich. Nun droht die Insolvenz. Analysten schätzen, dass GM allein im kommenden Jahr 15 bis 25 Milliarden Dollar braucht. Ohne Hilfe vom US-Staat hält den Riesen aus Detroit kaum noch jemand für überlebensfähig. Neben GM fordern Ford und Chrysler zinsgünstige, staatlich abgesicherte Kredite. Die Rede ist von bis zu 50 Milliarden Dollar.

Die Autobranche wurde am schnellsten und härtesten von der Finanzkrise getroffen. Schon zuvor kämpfte sie mit hohen Spritpreisen und Materialkosten, aber auch mit hausgemachten Problemen. Besonders die US-Hersteller, die jahrelang auf große und spritfressende Pick-up-Trucks gesetzt und den Trend zu kleineren, sparsamen Modellen verschlafen hatten, wurden kalt erwischt. Doch die Finanzkrise hat die Absatzprobleme noch einmal drastisch verschärft.

Die deutschen Hersteller sind nicht immun. "Wenn der Markt in den USA nach unten rasselt, bekommen das vor allem Daimler und BMW zu spüren", sagt Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer. Beide schockten die Märkte zuletzt mit Gewinnwarnungen und kündigten Produktionskürzungen an. Volkswagen und die Tochter Audi stehen zwar noch etwas besser da, doch das dürfte nicht lange so bleiben. "Auch VW wird es treffen." Wichtig sind hier vor allem Asien und speziell China. Doch auch dorthin dürfte die Krise bald überschwappen.

Ausgerechnet in dieser miesen Stimmung versammelt sich die Branche diese Woche auf der Los Angeles Auto Show. GM dampfte den Messeauftritt in Kalifornien bereits auf ein Minimum ein. Kein ranghoher Manager lässt sich dort in diesem Jahr blicken. Statt Messeauftritt rufen Krisensitzungen.

Wuppertal Mittlerweile ist die Krise bei den meisten Zulieferern angekommen. Der Autozulieferer Delphi spricht von einer Entwicklung, die sich in einem nicht vorhersehbaren Ausmaß verschlechtert hat. Die Folge: Kapazitätsanpassungen, wo immer es geht. Für das Kunden-Technologie-Zentrum bedeutet das, dass die zweiwöchigen Weihnachtsferien um eine Woche verlängert werden. Das Unternehmen Böco Verschluss-Systeme hat gerade Millionen in Wuppertal investiert. Um die Krise abzufedern, muss der Urlaub bis Ende des Jahres genommen sein, der Einsatz von Leiharbeitern wird eingeschränkt. Die für zwei Wochen angesetzten Weihnachtsferien werden verlängert. kuk

Burscheid Bei der Johnson-Controls-Europazentrale in Burscheid (nur Forschung und Entwicklung) bleibt es bei der Streichung von 100 Stellen. In Gref-rath werden 200 Stellen gestrichen. Für das JC-Werk in Bochum gilt: heute Kurzarbeit auf der Opel-Linie (Zafira- und Astra-Innenausstattung), normales Arbeiten auf der Ford-Fiesta-Linie. Kommende Woche ist komplett Kurzarbeit auf der Opel-Linie angesetzt, weil Opel Produktionsstillstand angekündigt hat. Beim JC-Werk in Bochum sind 260 von 560 Mitarbeitern von Kurzarbeit betroffen. Der Kolbenringhersteller Federal-Mogul hat im November tageweise Kurzarbeit eingeführt und wird sie noch ausweiten. Derzeit nur Auslastung von 40 Prozent. Über Weihnachten gibt es zwei Wochen Werksferien.

Krefeld Der Autozulieferer Presswerk, der alles rund ums Fahrwerk liefert, hat bei der Arbeitsagentur Massenentlassungen angemeldet. Betroffen sind gut 40 von 500 Mitarbeitern. Betriebsratschef Hermann Steck: "Opel sucht die Unterstützung der Bundesregierung - wer hilft den Mittelständlern und Zuliefererfirmen?" kage

Neuss Der Autozulieferer Kolbenschmidt Pierburg in Neuss verweigert derzeit jeden Kommentar zur Lage. Pierburg und Pierburg-Pump Technology machen einen Jahresumsatz von etwa 960 Millionen Euro, fast ausschließlich mit der Automobilzuliefer-Industrie. Gruppenweit (mit Kolbenschmidt) sind es 2,5 Milliarden Euro. uda

Solingen Räderproduzent Kronprinz kündigte bereits an, im nächsten Jahr nur noch 30 statt 35 Stunden die Woche arbeiten zu lassen. Alternative wäre die Entlassung von mehr als 50 Mitarbeitern gewesen. C. Rob. Hammerstein, Anbieter von Sitzstrukturen und Verstell-Systemen, will seine Produktion in Solingen schneller schließen als geplant. 70 Mitarbeiter, die eigentlich erst im Juli 2010 gehen sollten, möchte man schon dieses Jahr entlassen. Beim Oberflächenspezialisten BIA hält man die Situation dagegen noch nicht für dramatisch. Der Anteil von Opel am Umsatz liege unter drei Prozent. Was an Baureihen ausgesetzt werde - etwa die S-Klasse von Mercedes ab Anfang Dezember - könne durch andere Aufträge -etwa für das Passat Coupé - ausgeglichen werden. flm

Velbert "Wenn keine Autos gebaut werden, brauchen wir nicht zuzuliefern.", heißt es bei Hülsbeck & Fürst. Das Unternehmen stellt in Velbert mit 1500 Mitarbeitern Schließsysteme her. Derzeit kann die Produktionsanpassung über Arbeitszeitkonten ausgeglichen werden.