General Motors: Alarmstimmung in Bochum

Mutter GM steht kurz vor der Pleite. Deutsche Fabriken sollen nun für die Fehler geradestehen.

Rüsselsheim/Bochum. Der traditionsreiche Rüsselsheimer Autobauer Opel ist erneut in Not - doch dieses Mal ist die Misere nicht selbst verschuldet. Der Mutterkonzern General Motors (GM) fährt - ebenso wie seine Wettbewerber Ford und Chrysler - mit hohem Tempo immer tiefer in die Krise und hat seine europäische Tochter auf dem Beifahrersitz.

Eine verfehlte Modellpolitik, der Absatzeinbruch in den USA, die weltweite Finanzkrise und Milliardenverluste haben den US-Auto-Giganten GM kurz nach seinem 100. Geburtstag im September an den Rand der Insolvenz gebracht. Die Pleitegerüchte im Konzern mehren sich.

Da kommt auch der bisherige Hoffnungsträger Opel nicht ungeschoren davon: Ein Sparprogramm über 750 Millionen Euro und eine Nullrunde für die Mitarbeiter hat GM seiner Tochter bereits verordnet. Ob das reichen wird, ist offen. Auch in Europa bricht der Absatz weg, Produktionsstopps sind die Folge.

Die knapp 25 700 Opel-Beschäftigten in den deutschen Werken Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern sind sauer auf die Amerikaner. "Opel muss das ausbaden, was GM verschuldet hat", schimpft der Bochumer Opel-Betriebsratschef Rainer Einenkel. Der Eindruck mache sich breit, dass GM bei Opel besonders hart kappe, um sein Heimatgeschäft zu retten. Schon vor drei Jahren hatte GM nach jahrelangen Verlusten in Europa 9000 Stellen gestrichen.

Doch die Lage ist heute weitaus dramatischer als 2005. "Damals konnte Opel sich beim großen Bruder GM anlehnen - heute ist es eine existenzielle Krise, weil man nicht weiß, ob es den Konzern morgen noch gibt", sagt Autoexperte Christoph Stürmer vom Prognose-Institut Global Insight. GM-Europachef Carl-Peter Forster sagte vor wenigen Tagen bei der Bilanzvorlage zum dritten Quartal, es handele sich um ein "äußerst brutales Quartal".

Das Europageschäft mit Opel und der schwedischen Marke Saab litt dabei unter den Verlusten von GM: Um die Bilanz für die USA zu schönen, schob die Mutter laut Betriebsrat kurzerhand Verluste über den Atlantik, so dass dort die beängstigende Summe von einer Milliarde Dollar ( 780 Millionen Euro) an Einbußen anfiel.

Der Streit zwischen GM und Opel ist nicht neu. Vor allem die kulturelle Distanz zwischen den USA und Deutschland schafft seit Jahrzehnten Probleme. Seit den 60er Jahren waren die Opel-Chefs fast ausnahmslos US-Amerikaner, die zwar die Kosten senkten, dabei aber allzu oft die Qualität aus dem Auge verloren. Mängel und Pannen häuften sich. Der Marktanteil lag in Deutschland 1993 noch bei mehr als 17 Prozent - zuletzt waren es im Oktober 2008 gerade einmal 7,2 Prozent. Doch in den vergangenen Jahren hat Opel in puncto Qualität und Design aufgeholt.

"Für Opel ist die Entwicklung bei GM tragisch, weil sie mit guten Modellen gut aufgestellt sind", sagt Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft. Nun aber verdunkeln die GM-Probleme die Markteinführung des neuen Mittelklassewagens Insignia, der in der kommenden Woche bei den Autohändlern stehen wird. Zudem gräbt der neue Golf des Konkurrenten Volkswagen dem Astra das Wasser ab - der neue Astra kommt erst 2009.

Ausgerechnet um das Internationale Technische Entwicklungszentrum (ITZ) in Rüsselsheim, wo 6000 gut bezahlte Ingenieure die Plattformen für die Mittel- und Kompaktwagenklasse entwickeln, hat der Betriebsrat am meisten Angst. Ein vom US-Staat massiv gestützter GM-Konzern könnte die für Rüsselsheim wichtigen Entwicklungsaufgaben nach Detroit abziehen, heißt es. Die angedachte Fusion "der beiden Fußkranken GM und Chrysler zu einem neuen Marathonläufer" würde den Prozess beschleunigen, sagt Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz.