Wirtschaftsweise: Milliarden gegen die Krise

Wirtschaftsweise: Die Regierung soll Schulden machen, um die Rezession zu bekämpfen.

Berlin. Vor ein paar Wochen waren Union und SPD noch in vaterländischer Verantwortung vereint, als der deutsche Finanzmarkt in den Abgrund schaute. Die Koalitionäre klopften sich auf die Schultern, lobten das Krisenmanagement von Kanzlerin und Finanzminister. Vom Pathos bei der Bankenrettung ist nicht viel übriggeblieben. Die Kanzlerin ist sauer.

Durch das Gezerre in den eigenen Reihen und der SPD-Fraktion um die Kfz-Steuer wird das Konjunkturpaket - als Aufbruchsignal im Abschwung gedacht - als Flickschusterei wahrgenommen. Und auch die fünf Wirtschaftsweisen mäkeln an den Maßnahmen herum. Statt eines "Sammelsuriums" solle die Regierung lieber richtig Schulden machen, um sich gegen die Rezession zu stemmen und etwa Geld in den Straßenbau investieren.

"Wir würden es für falsch halten, wenn während der Abschwungphase ein ausgeglichener Haushalt mit Zähnen und Klauen verteidigt wird", sagte der Sachverständige Wolfgang Wiegard. Das ist ein Paradigmenwechsel. Jahrelang geißelten die Professoren staatliche Programme als Strohfeuer und forderten einen strengen Sparkurs.

Jetzt fordert die Elite der Wirtschaftswissenschaftler mehr Geld für Straßen, Schienen und Schulen, bis das Schlimmste überstanden ist. Das ist ein weltweiter Trend. China will 460 Milliarden Euro in die eigene Wirtschaft pumpen. Auch in den USA wird das Scheckbuch gezückt, um Banken und Autobauer vor dem Untergang zu retten.

Die EU will angesichts der schlimmsten Finanzkrise seit Jahrzehnten den Mitgliedsstaaten beim Schuldenmachen Spielraum lassen. In Berlin macht die Runde, dass die Regierung am Konjunkturpaket II arbeitet. Denn die zwölf Milliarden Euro aus der ersten Runde dürften zu wenig sein, um den Abschwung merklich abzufedern. Die Experten fordern bis zu 25 Milliarden Euro.

Zudem sollte die Koalition nach Ansicht vieler Experten den Bürgern reinen Wein einschenken, dass die Politik gegen eine Rezession nur wenig tun kann. Der Exportweltmeister Deutschland mit seinen erfolgsverwöhnten Maschinenbauern hängt am Tropf der Weltwirtschaft. Seit Jahren zählt die Bundesrepublik zu den Gewinnern der Globalisierung. Dazu gehören aber auch Risiken.

Bei Opel bangen tausende Mitarbeiter um ihre Jobs. Doch was soll eine deutsche Regierung machen, wenn der US-Mutterkonzern General Motors nach langem Missmanagement brutal sparen muss, um zu überleben? Den Wirtschaftsweisen will deshalb nicht einleuchten, warum die Koalition jetzt mit Steuergeld den Autobauern zur Hilfe eilt - und nicht einmal eine Öko-Ausrichtung mit einbaut. Solche Eingriffe verzerrten den Markt, kritisieren die Ökonomen. Prompt wollten Spediteure, Bauindustrie, Flugzeugbauer, Handel und Chipkonzerne ähnliche Hilfen.