Das Geld ist weg – wo ist es geblieben?

Mehr als 2000 Milliarden Dollar hat die Kreditkrise fortgespült. Doch irgendwo müssen sie wieder auftauchen. Eine Spurensuche.

Düsseldorf. Seit über einem Jahr wütet die US-Kreditkrise auf den Märkten der Welt: Bank-Imperien gehen pleite, Zehntausende verlieren ihre Jobs, Aktienkurse brechen ein - und Milliarden und Abermilliarden verschwinden. Allein die kollabierte Investmentbank Lehman Brothers steht mit 613 Milliarden Dollar in der Kreide, insgesamt dürfte die Hypothekenkrise bisher 2000 Milliarden Dollar vernichtet haben.

Eine Lottofee wäre glücklich, so viel Verfügungsmasse zu haben. Bis zum Jahr 2618 könnte sie mit dieser Summe zweimal wöchentlich einen Jackpot von 20Millionen Euro ausschütten.

Aber wo ist der Zaster hin? Vernichtet, verbrannt, heißt es meist düster. Aber: Kann Geld einfach so verschwinden? Und: Was ist überhaupt Geld?

Längst hat sich der Mammon von seiner Stofflichkeit gelöst, zuckt als virtuelles Phantom durch globale Datenleitungen. Es ist das digitale Zeitalter, das die imperiale Münze zur klimpernden Folklore degradiert hat. Und der Sparer fragt sich: Wie oft wurde der Lohn meiner Arbeit im Aktien-Fonds um die Welt katapultiert, bevor er in den Schlünden von Finanzhaien verendete?

Da hilft kein Groll. Nichts löst sich in Zeiten der Risikogesellschaft so spurlos auf wie digitales Geld, nichts feiert aber auch so unumstößlich seine Wiederauferstehung.

Für den Bankrotteur, der sein geplündertes Depot betrachtet, gestaltet sich die Sache allerdings unerfreulich. Nein, das Vermögen ist zwar nicht weg, aber leider steckt es in den Taschen anderer. Bleibt dem Kleinanleger der Trost: Ärmer wird er zunächst nur auf dem Papier. Solange er den Verlust nicht durch Verkauf realisiert, bleibt das Prinzip Hoffnung. Wer weiß, vielleicht bringt die Zeit den finanziellen Segen zurück. Schon häufig hat sich Geduld als die beste Gelddruckmaschine erwiesen.

Die Wissenschaft verzichtet denn auch auf die Worte "vernichtet" und "verbrannt". Sie sagt schlicht: Der Finanzmarkt ist ein Nullsummenspiel.

Geld ist in der globalen Spielhölle umverteilt worden - umverteilt zwischen Banken und Hedgefonds, zwischen Kleinanlegern und Großaktionären, zwischen Menschen, die sich ihren Traum vom eigenen Haus zu überhöhten Preisen erfüllt haben und denen, die ihr Haus zu überhöhten Preisen verkauft haben.

Aber während eines Crashs interessiert sich die Welt allein noch für Verlierer. Dass jedem Absturz eine goldene Epoche vorausgeht, die Millionen Gewinner hervorbringt, will dann niemand mehr hören. So einer wie John Paulson ist dann keine Nachricht mehr wert, obwohl der gerissene Hedgefondsmanager im vergangenen Jahr 3,7Milliarden Dollar Gehalt kassierte und seine Kunden noch viel mehr. Und dann sind da die Fonds, die auf die Katastrophe spekuliert haben und nun im Angesicht des Finanz-Debakels absahnen.

Nicht wenige wussten: Wer die wundersame Geldvermehrung durch Kredite nur lange genug betreibt, produziert irgendwann Chaos. Denn Kapitalismus funktioniert nur, wenn die Balance zwischen Leihen und Verleihen gewahrt bleibt: Geld vermehrt sich, wenn die Banken Hypotheken vergeben; es wird hingegen weniger, wenn Kunden ihre Kredite zurückzahlen. Durch einen schwungvollen Schuldenkapitalismus lässt sich die Volkswirtschaft zwar über lange Zeiträume kräftig ankurbeln. Doch wenn die Kreditkette reißt und Banken ihr verliehenes Geld nicht wiedersehen, kann das Finanzsystem Schaden nehmen - so geschehen in den USA.