Die Iren feiern ihr Comeback
Vor einem Jahr schlüpfte der keltische Tiger unter den Rettungsschirm — jetzt kehrt der Optimismus zurück.
London/Dublin. Inmitten der Euro-Turbulenzen kommt ein Hoffnungsschimmer aus Nordeuropa: Nur ein Jahr, nachdem über Irland der Rettungsschirm aufgespannt wurde, verzeichnen die Kelten schon wieder zartes Wirtschaftswachstum. Auch deutsche Firmen schaffen Jobs in Dublin. Skeptiker warnen jedoch vor dem Preis, den die Iren für den erfolgreichen Sparkurs zahlen müssen.
Wenn es nach dem irischen Finanzminister ginge, würde Irland seinen schwarzen Humor zu Geld machen und T-Shirts mit dem Slogan „Wir sind nicht Griechenland“ verkaufen. Michael Noonans kreative Geschäftsidee ist mehr als nur ein Scherz.
Viele Indikatoren zeigen, dass Irland mit dem 85 Milliarden Euro schweren Rettungspaket mustergültig umgeht: Bereits das zweite Quartal in Folge verzeichnet die Insel wieder Wachstum, für 2012 prognostiziert die Zentralbank sogar ein Plus von 1,8 Prozent.
Auch die Steuereinnahmen übertreffen die Erwartungen. Schon nächstes Jahr will die Regierung in Dublin wieder mit Staatsanleihen an den Markt gehen. „Irland wird der erste Kandidat sein, der dem IWF zum Abschied winken darf“, kündigte Premier Enda Kenny jüngst an.
Vor allem die Exportbranche sorgt dafür, dass das Bruttosozialprodukt wieder klettert. Um 20 Prozent sind die Ausfuhren gestiegen, fast ausschließlich angefeuert durch ausländische Investoren. So sehr brummt der Sektor, dass Ralf Lissek von der Deutsch-Irischen Handelskammer nicht genügend Fachkräfte für seine Mitglieder findet. „Mehr als 100 Stellen in unserer Kartei sind derzeit offen“, sagt er. Es sei allein Irlands Negativimage als gescheiterter Wirtschaftsprimus, der Bewerber zögern ließe: „Man bekommt bei der Medienberichterstattung immer das Gefühl, hier würde ein Dritte-Welt-Land an seiner Auferstehung arbeiten. Das ist falsch und macht uns gute Leute abspenstig.“
Anders als Griechenland ist Irland trotz Krise noch immer ein Magnet für Konzerne. Ebay und Paypal haben ihre Firmenzentrale dort angesiedelt, Pfizer produziert auf der grünen Insel Viagra für den europäischen Markt.
Während Irlands günstige Firmensteuer trotz Schuldenkrise niedrig ist, sind es die Arbeitnehmer, die die Hauptlast der Sanierung tragen. Gestreikt wie in Griechenland wird in Irland dennoch nicht. Statt sich zu organisieren, litten viele im Stillen, sagt Gewerkschafter Michael Taft: „Die Leute kündigen private Vorsorgeversicherungen und hinken mit den Zahlungen für Strom und Gas hinterher.“ Lohnkürzungen von 20 Prozent sind die Regel, höhere Steuern kommen hinzu.
Dass in Dublin unterm Strich trotzdem mehr im Portemonnaie bleibt als in Athen, ist ein weiteres Argument gegen einen Arbeitskampf. „Hier wird lediglich ein überhöhtes Lohnniveau aus Boomzeiten korrigiert“, sagt Ralf Lissek.
Ökonom Philip Lane will sich nicht vom Licht am Ende des Tunnels blenden lassen: „Irland zeigt zwar, dass das so kontrovers debattierte Rettungspaket funktioniert. Doch die Lage ist zurzeit höchstens stabil, mehr nicht.“