Eine ganz neue Wall Street

US-Investmentbanken werden abgeschafft. Goldman und Morgan sind künftig ganz normale Kreditinstitute.

NewYork/Tokio. Historischer Wandel an der Wall Street: Unter dem massiven Druck der Finanzkrise geben die zwei letzten großen US-Investmentbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley ihren 75 Jahre alten rechtlichen Sonderstatus auf und werden zu gewöhnlichen Geschäftsbanken.

Sie stehen künftig wie andere Banken unter verschärfter Kontrolle und dürfen keine extremen Risiken für hochlukrative Geschäfte mehr eingehen. Im Gegenzug können sie sich breiter aufstellen und sind damit auch dank neuem Kapital weniger schwankungsanfällig.

Die beiden Banken erhalten in der Übergangsphase zusätzliche Notenbankkredite, wie die US-Notenbank Federal Reserve am Sonntagabend (Ortszeit) in New York mitteilte. Dies verschafft ihnen angesichts der Turbulenzen an den Finanzmärkten etwas Luft.

Morgan Stanley holt zudem für frisches Kapital Japans Großbank Mitsubishi UFG als Großaktionär an Bord. Der Preis für einen Anteil von 10 bis 20 Prozent soll nach einer Prüfung der Bücher festgelegt werden.

Morgan Stanley ist schwer von der Finanzkrise getroffen. Zuletzt hatte es geheißen, der chinesische Staatsfonds CIC wolle bei dem Institut einsteigen. Auch über eine Fusion mit der US-Bank Wachovia war spekuliert worden.

Der bisherige Investmentbanken-Primus Goldman Sachs wird durch die Veränderungen zur viertgrößten Bank-Holding der USA nach der Bank of America, J.P. Morgan Chase und Citigroup.

Die Finanzkrise beendet damit die Geschichte der großen unabhängigen Investmentbanken der Wall Street in ihrer bisherigen Form. Ihre Ära hatte während der sogenannten Großen Depression in den 30er Jahren begonnen. Damals wurden die Banken in Geschäfts- und Investmentbanken aufgespalten. Jahrzehntelang konnten die Spezialbanken höhere Risiken eingehen und spektakulär hohe Gewinne einfahren.

Im März wurde bereits das angeschlagene Investmenthaus Bear Stearns von J.P. Morgan Chase aufgekauft, in der letzten Woche Merrill Lynch von der Bank of America. Lehman Brothers musste mangels staatlicher Hilfe sogar Konkurs beantragen. Zu Jahresbeginn gab es noch fünf von ihnen. Inzwischen waren es nur noch zwei Institute.

Goldman Sachs und die Nummer zwei Morgan Stanley unterliegen künftig denselben Kontrollen, Regeln und Kapitalanforderungen wie andere Banken. Bisher genossen sie weitgehende Freiheiten, weil sie selbst praktisch keine Geschäfte für Jedermann wie etwa Girokonten anbieten.

Dieses weniger riskante Filial- und Einlagengeschäft mit dem Geld normaler Kunden bringt stabilere Einnahmen, allerdings bei geringeren Gewinnmargen. Das neue Modell sichere Goldman ständigen Zugang zu Liquidität, sagte Konzernchef Lloyd Blankfein.

In ihrer künftigen Rechtsform als Bankholding können Goldman Sachs und Morgan Stanley den anderen Geschäfts- und Universalbanken Konkurrenz auf deren eigenem Terrain machen. Finanzkonzerne wie die amerikanische Citigroup und die Deutsche Bank vereinen unter ihrem Dach die ganze Palette von Finanzdienstleistungen - so etwa das Filialgeschäft, aber auch das eigene, interne Investmentbanking.