Finanzkrise trifft Wirtschaft auf breiter Front

Besonders die Geschwindigkeit der Talfahrt und der tiefe Pessimismus vieler Unternehmen stimmen die Ökonomen besorgt.

München (dpa) - Gut ein Jahr nach ihrem Ausbruch in den USA hatdie Finanzkrise die Wirtschaft weltweit voll erfasst. Gleich mehrereGroßunternehmen kappten am Montag ihre Gewinnprognosen für das laufendeJahr und rissen die Börsen mit ihren Hiobsbotschaften nach der Talfahrtder vergangenen Wochen noch weiter in die Tiefe.

Und auch der weitereRückgang des ifo-Geschäftsklimaindex auf den tiefsten Stand seit fastfünfeinhalb Jahren lässt bei vielen Volkswirten die Alarmglockenschrillen. „Die deutsche Volkswirtschaft befindet sich jetzt schon amBeginn einer Rezession“, sagt der Konjunktur-Experte Andreas Scheuerlevon der Deka-Bank.

Besonders die Geschwindigkeit der Talfahrt und der tiefe Pessimismusvieler Unternehmen stimmen die Ökonomen besorgt. Noch nie zuvor hättensich die Erwartungen der Firmen für das kommende Halbjahr innerhalbeines Monats so drastisch eingetrübt, sagt Scheuerle.

Für RolfSchneider, Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der DresdnerBank, spielen dabei auch Psychologie und Panik eine Rolle. „Durch dieFinanzkrise gibt es einen globalen Schock bei den wirtschaftlichenErwartungen“, sagt der Experte.

Scheuerle warnt aber davor, die Skepsis der Firmen auf die leichteSchulter zu nehmen. „Die negative Stimmung überträgt sich auf etwasReales, nämlich die Investitionstätigkeit.“ Weil viele Unternehmen ihreKapazitäten nicht mehr ausgelastet sehen, dürften sie ihreInvestitionen in den kommenden Monaten kräftig zurückfahren - mitnegativen Folgen für den Arbeitsmarkt.

„Die Arbeitslosigkeit wirdansteigen ab Januar“, fürchtet Scheuerle, deutlich spürbar werde daswegen statistischer Effekte aber erst im Jahr 2010.

Auch die Konjunkturprognosen bewegen sich derzeit zwischen Stagnationund Rezession. Während die führenden Wirtschaftsinstitute in ihremHerbstgutachten zuletzt ihre Erwartungen für das kommende Jahr auf 0,2Prozent Wachstum kräftig gekappt hatten, hält Scheuerle auch eineschrumpfende Wirtschaftsleistung in den kommenden Monaten und damiteine anhaltende Rezession für möglich.

„Ich sehe im nächsten Jahreigentlich kein positives Vorzeichen.“ Auch nach Einschätzung desInternationalen Währungsfonds (IWF) könne es länger dauern, bis sichdie Weltwirtschaft erhole, gerade weil die gegenwärtigen Probleme auseiner Finanz- und Immobilienkrise entstanden seien. „DieAufräumarbeiten werden länger dauern. Es wird eine mühsamere Erholung,wir kommen nicht so schnell wie in früheren Schwächephasen zurTagesordnung.“

Mit Blick auf die beiden großen Konjunktur-Risiken der vergangenenMonate, nämlich Ölpreis und Währungsentwicklung, könnten dieUnternehmen derweil eigentlich auf Entspannung setzen, sagt derKonjunktur-Experte Gernot Nerb vom ifo-Institut fürWirtschaftsforschung.

Sowohl der Ölpreis als auch der Euro-Kurs setztenam Montag ihre Talfahrt der vergangenen Wochen fort, das würdeeigentlich für eine Entlastung von Branchen wie der Chemie- Industrieund auf bessere Export-Chancen sprechen. Doch dieKonjunktur-Lichtblicke werden durch die weltweite Nachfrage-Schwächeüberlagert, sagt Nerb.

Zuletzt hatte sich dies beispielsweise durch dieAbsatzflaute bei Autobauern wie BMW und Auftragseinbrüche bei denLastwagen-Herstellern Volvo und Scania gezeigt.

Um der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen, könnten steuerlicheEntlastungen wie das Vorziehen der Absetzbarkeit vonKrankenversicherungsbeiträgen sinnvoll sein, sagt Nerb. Auch einevorzeitige Umsetzung von Infrastrukturprojekten, beispielsweise imStraßen- und Schienenbau hält der Konjunktur-Experte für ratsam.

Allerdings sollten nur solche Projekte angegangen werden, die denPlanungsprozess bereits durchlaufen hätten. Alles andere würde dagegenzu lange dauern, meint Nerb. „Völlig neue Dinge zu erfinden, halten wirnicht für gut.“