Finanzkrise: „Verantwortung für die Exzesse übernehmen“

Bankenpräsident Klaus-Peter Müller hält die Schelte von Bundespräsident Horst Köhler an der Branche für angemessen.

Düsseldorf. "Die Schelte war richtig so. Ich bin Bundespräsident Horst Köhler nicht gram." Klaus-Peter Müller, Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Banken, bekennt sich dazu, ein Freund offener Worte zu sein.

"Die Bank-Vorstände müssen diese Rüge hinnehmen und die Verantwortung für die Exzesse der Vergangenheit übernehmen", sagte er auf einer Podiumsdiskussion des Bildungsforums ASG in Düsseldorf, im Gespräch mit Roland Tichy, Chefredakteur der Wirtschaftswoche.

Bundespräsident Köhler war angesichts der Finanzkrise zuletzt hart mit den Bankern in Deutschland ins Gericht gegangen. Die Branche habe vielfältige Warnungen in den Wind geschlagen und sich an den hohen Renditen "offenbar so berauscht, dass sie blind wurde für die Risiken".

Klaus-Peter Müller spricht ebenfalls von einer "Verrohung der Sitten". Geld habe eine "alles dominierende Funktion bekommen". Drei gravierende Fehler listete der Bankenpräsident auf, die den Geldinstituten im Zuge der Finanzkrise anzulasten seien.

"Wir haben Papiere gekauft, bei denen wir uns auf das Rating verlassen haben. Das hätten wir nicht tun dürfen", sagte er mit Blick auf die dramatischen Verluste, die die Banken weltweit am amerikanischen Immobilienmarkt erlitten haben.

Niemand jedoch habe diesen Absturz kommen sehen. Die Commerzbank etwa habe zwar schon im November 2006 entschieden, keine neuen Subprime-Anleihen (Anleihen mit niedriger Bonität) in den USA mehr zu kaufen. Doch habe man die bereits gekauften Papiere im Bestand gehalten. "Hätten wir damals alles verkauft, hätten wir 50 Millionen Euro Verlust gemacht." Jetzt müssten deutlich höhere Werte abgeschrieben werden.

Als unverantwortlich bezeichnete Müller das Verhalten der Düsseldorfer IKB und der SachsenLB. "Diese beiden Banken haben völlig überdimensionierte Investments im Subprime-Bereich getätigt."

Fehler sind laut Müller auch bei den Produkten und Anleiheformen gemacht worden. "Sie waren einfach zu kompliziert. Selbst viele Banker haben sie nicht mehr verstanden."

Und: "Wir haben den Anreizen der Vergütung nicht widerstanden." Wenn junge Menschen durch den Verkauf solcher Produkte Millionen verdienen können, dann führe dies zu einem Werteverfall. Zu seiner Zeit als Vorstandschef der Commerzbank habe er selbst nicht zu den Top25-Verdienern der Bank gezählt.

An der Spitze hätten Investmentbanker und Derivatehändler gestanden. Wenn einer von ihnen jedoch einen Fehler gemacht hätte, dann "wäre ein Vorstand geflogen, der viel weniger verdient hat". "Das ärgert mich gewaltig. Wenn ich das ändern könnte, ich würde es tun. Doch die Investmentbanker in London interessiert das nicht."

Auf die Frage Tichys, ob er den Zorn vieler Menschen in Deutschland verstehen könne, die sich darüber ärgern, dass Sozialleistungen gestrichen werden, während gleichzeitig die Banken Milliardenhilfen vom Staat erhalten, reagierte Müller dagegen eher schmallippig. Diese beiden Themen dürfe man nicht miteinander vermengen.

"Die Überbrückungshilfen der Bundesregierung für die Banken müssen zurückgezahlt werden - mit Zinsen." Allein die Commerzbank müsse für die staatliche Hilfe 400 bis 500 Millionen Euro Zinsen zahlen. "Hartz IV sind jedoch reine Ausgaben für den Staat."