Schienenverkehr: Ein Duell der Schnellzüge?
Der französische TGV erreicht bei einem Test 553 Km/h und hängt den ICE ab. Bei der Bahn bleibt man jedoch gelassen.
Düsseldorf. Das Wort "Duell" wird von den Beteiligten vermieden. Und dennoch schwebt es in der Luft. Eine speziell für dieses Ereignis gebaute Variante des von Alstom-Transport hergestellten französischen Hochgeschwindigkeitszuges TGV (Train á grande Vitesse) hat auf einer neuen Strecke zwischen Paris und Straßburg eine Geschwindigkeit von 553 Stundenkilometern erreicht - und hängt damit den deutschen ICE 3, Höchstgeschwindigkeit 330 Stundekilometer im normalen Verkehr, ziemlich ab. Zwar gilt dies nicht als offizieller Rekord, da kein Notar an Bord des TGV war, doch soll schon Anfang April, wenn alles gut läuft sogar Mitte März, ein weiterer und dann offizieller Geschwindigkeits-Rekordversuch gestartet werden. Ab Juni soll auf einer neuen Hochgeschwindigkeitstrasse Paris mit Straßburg verbunden werden - in 140 Minuten.
Der ICE, bereits in dritter Generation das Flaggschiff der Deutschen Bahn, zumindest in Russland und in China ein Verkaufsschlager, wird von Siemens-Transportations gebaut. Dort sieht man den Rekordversuch gelassen, zumal mit dem in Spanien eingesetzten "Velaro" noch andere Hochgeschwindigkeitszüge aus der Angebotspalette des Hauses unterwegs sind. "Im Grunde freuen wir uns über alles, was auf diese Weise den Schienenverkehr positiv in das Bewusstsein der Leute rückt", relativiert Sprecherin Anja Süssner. Auch mit der ICE 3 Generation seien im Vorfeld viele Hochgeschwindigkeitstests durchgeführt worden. "In der Praxis muss jedoch überlegt werden, ob dieses hohe Tempo und der damit verbundene Materialverschleiß im Schienenverkehr gewinnbringend angeboten werden kann."
Ein Geschwindigkeitsrekord eines ICE liegt schon etwas länger zurück. Am 1. Mai 1988 war es, als eine Sonderversion, der ICE-V, ein Tempo von 406,9 km/h erreichte. Zumindest für kurze Zeit brachte dieser Rekord den Deutschen das Blaue Band der Schiene ein, wie in der Atlantik-Seefahrt eine Auszeichnung für höchste Geschwindigkeit. Seitdem macht der deutsche Hochgeschwindigkeitszug jedoch eher durch Pannen bei der Neigetechnik, durch Kurzschluss in der Bordelektronik verursachte Brände und 1998 durch ein tragisches Unglück mit 101 Toten im niedersächsischen Eschede - ausgelöst durch einen gebrochenen Radkranz - von sich reden.
Frankreich sowohl als auch Deutschland vergangenen zwei Jahrzehnten den Ausbau von Hochgeschwindigkeitstrassen. In Frankreich verringerte sich der Transfer zwischen der Kapitale Paris und Lyon - der Metropole des Department Rhone - auf zwei Stunden. Zwischen 1989 und 2001 wurde das hochgeschwindigkeits-taugliche Netz in Frankreich auf etwa 7000 Kilometer ausgebaut. Alle französischen Großstädte sind mittlerweile daran angebunden.
In Deutschland finden sich überregionale Hochgeschwindigkeitsstrecken lediglich zwischen Hannover und Würzburg, Hannover und Berlin sowie zwischen Köln und Frankfurt, der Prestigestrecke des ICE. "Mit Frankreich kann man das hiesige Streckennetz tatsächlich nicht vergleichen", bestätigt Bahnsprecher Andreas Fuhrmann. Während der TGV in Frankreich auf langen Strecken seine Geschwindigkeit voll ausfahren kann, müsse der ICE aus Strecken etwa im Ruhrgebiet häufiger halten. Fuhrmann: "Absolute Höchstgeschwindigkeit ist bei uns auch nicht das Ziel, sondern die optimale Reisegeschwindigkeit." Außerdem kooperiere die Bahn mit der französischen Bahngesellschaft SNCF auf den Strecken Paris-Stuttgart und Paris Frankfurt, wo beide Züge, TGV und ICE, eine Geschwindigkeit von 320 km/h fahren. "Es ist also weniger Konkurrenz als Kooperation." Fuhrmann betrachtet den neuen Rekordversuch gelassen: "Auch ein TGV wird im normalen Schienenfernverkehr keine 500 km/h fahren."