US-Notenbank rettet Versicherung AIG und übernimmt Kontrolle

Fed leiht Versicherungsriesen bis zu 85 Miliarden Dollar. DIHK beschwichtigt: Die US-Finanzkrise sollte kein Grund für „Panikreaktionen“ sein.

Washington/Berlin. Neun Tage nach derstaatlich organisierten Rettung der US-Immobilienfinanzierer Fannie Maeund Freddie Mac ist auch der Versicherungsriese American InternationalGroup (AIG) unter staatliche Kontrolle gestellt worden.

Den Leitzinssatz beließ die US-Notenbank dagegen unverändert bei 2,0 Prozent. DerOffenmarktausschuss der Fed traf die Entscheidung auf seiner Sitzung amDienstag ebenfalls wegen der scchweren Turbulenzen auf den internationalenFinanzmärkten.

DieUS-Notenbank leiht AIG bis zu 85 Milliarden Dollar (rund 60 MilliardenEuro) und übernimmt zum Ausgleich 79,9 Prozent der AIG-Aktienanteile,wie die Notenbank („Fed“) am Dienstag (Ortszeit) in Washingtonmitteilte. Die Zentralbank kann gegen AIG-Dividenden-Beschlüsse einVeto einlegen

Der demokratische Senator Charles Schumer sprach voneinem „beispiellosen“ Eingriff. Die internationalen Finanzmärkteberuhigten sich.

Der Plan zur Rettung von AIG beruht laut einer Erklärung der „Fed“ aufder Regelung in Abschnitt 13 ihrer Gründungsakte. Das Darlehen von biszu 85 Milliarden Dollar sei zu Bedingungen eingeräumt worden, mit denen„die Interessen der US-Regierung und der Steuerzahler“ gewahrt würden,hieß es.

Als Garantie für die Unterstützung können sämtliche Guthabender AIG herangezogen werden. Die Aktiva wurden Ende Juni mit 1050Milliarden Dollar angegeben. AIG hat 74 Millionen Kunden. Für denKonzern arbeiten weltweit 116.000 Beschäftigte in 130 Ländern.US-Präsident George W. Bush erklärte, der Rettungsplan der Fed werde„die Stabilität auf den Finanzmärkten fördern“.

Zunächst hatte die US-Notenbank die Privatbanken Goldman Sachs undJP Morgan aufgefordert, die erforderlichen Summen zur Rettung der AIGaufzubringen. Dieser Plan scheiterte, als die Börsennotierung von AIGstark abrutschte. Der Konzern erklärte, die Versicherungsverträge derKunden seien nicht in Gefahr.

Vor der AIG-Niederlassung in Singapurstanden am Mittwochmorgen hunderte verunsicherte Kunden Schlange - zumTeil mit dem Willen zur Kündigung von Versicherungspolicen.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hält dieKonjunkturlage in Deutschland trotz der Turbulenzen an denFinanzmärkten für relativ stabil. „Bei aller Sorge sind Panikreaktionenfehl am Platze“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben der„Berliner Zeitung“. In Deutschland gebe es keinen„flächendeckenden Finanzierungsengpass“, fügte Wansleben hinzu.

Auf den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken(BdB) kommt wegen des Zusammenbruchs der US-Investmentbank LehmanBrothers nach Informationen des „Handelsblattes“ ein Schadenfall inMilliardenhöhe zu. Der Kollaps von Lehman Brothers könne denSicherungsfonds mit bis zu sechs Milliarden Euro belasten, berichtetdas Blatt unter Berufung auf Finanzexperten.

Die deutsche Tochter vonLehman Brothers sei dem Sicherungsfonds mit einer Deckungssumme indieser Höhe angeschlossen. Nach Informationen der „FrankfurterAllgemeinen Zeitung“ kostet die Insolvenz von Lehman Brothers diebundeseigene KfW-Bank vermutlich einen dreistelligen Millionenbetrag.

Die britische Barclays Bank übernimmt die Kapitalmarkt-Sparte vonLehman Brothers. Die Übernahme soll laut einer in London verbreitetenErklärung bis zum 24. September abgewickelt sein. Barclays botinsgesamt 1,75 Milliarden Dollar an. In den an Barclays übergehendenTeilen von Lehman Brothers ist die Hälfte der bislang 20.0000Mitarbeiter beschäftigt. Die US-Regierung hatte nicht zur Rettung vonLehman Brothers eingegriffen.

Nach dem Eingreifen der US-Notenbank für die AIG-Rettung beruhigtensich die Börsen in Asien. Der Nikkei-Index in Tokio legte imMorgenhandel um gut zwei Prozent zu, während er am Vortag noch fastfünf Prozent eingebüßt hatte. Auch die Börsen in Seoul, Manila, Taipehund Jakarta tendierten freundlicher.

Die japanische Zentralbank gabunterdessen weitere drei Billionen Yen (20 Milliarden Euro) frei, umden Markt zu stabilisieren. Sie ließ den Leitzins erwartungsgemäßunverändert. Auch die Fed beließ den Leitzinssatz bei 2,0 Prozent.