Weidmann wird Bundesbank-Chef
Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht ihren Wirtschaftsberater Jens Weidmann zum jüngsten Präsidenten in der Geschichte der Bundesbank. Der 42-Jährige wird im Mai Nachfolger von Axel Weber.
Erstmals rückt auch eine Frau in den Vorstand der Notenbank: Die bisherige Bankenaufseherin Sabine Lautenschläger (46) wird Vize-Chefin. Wegen Weidmanns Wechsel sieht die Opposition die Unabhängigkeit der Bundesbank in Gefahr.
Merkel wies das zurück. „Jeder, der Jens Weidmann kennt, weiß, dass er über höchste Sachkompetenz verfügt, dass er einen brillanten Intellekt hat, dass er ein unabhängiger Kopf ist“, betonte die Kanzlerin und sprach von einem „guten Personalpaket“.
Sie sei überzeugt, dass Weidmann ein ausgezeichneter Bundesbank-Präsident sein werde und im Kreis der Europäischen Zentralbank (EZB) seine Stimme für die deutsche Stabilitätskultur erheben werde.
Merkel machte am Mittwoch deutlich, dass nach Webers Rückzug als Kandidat Deutschlands Anspruch auf die EZB-Spitze keineswegs hinfällig sei. „Diese Hoffnung und auch der Anspruch sind nicht weg“, sagte sie NDR Info.
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hört im Herbst auf. Über die Nachfolge soll im Frühjahr entschieden werden. „Und dann werden wir schauen, welche Karte wir noch im Spiel haben“, sagte Merkel.
Auch FDP-Chef Guido Westerwelle betonte: „Wir haben unsere Ambitionen in Europa, bei der Europäischen Zentralbank, natürlich nicht aufgegeben.“ Nach Angaben von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) werde zunächst das Gesamtpaket zur Euro-Stabilisierung geschnürt.
Merkel dankte Noch-Bundesbankchef Weber für seine siebenjährige Arbeit. Er gibt Ende April ein Jahr früher den Spitzenposten auf, weil er sich mit seiner Kritik am Krisenmanagement der EZB in der Euro-Schuldenkrise alleingelassen fühlte.
Westerwelle sagte, mit Weidmann und Lautenschläger seien anerkannte Experten ausgewählt worden. „Das wichtigste Ziel ist, dass wir eine unabhängige und starke Bundesbank haben, die auch für einen starken Euro sorgen kann.“
Merkel und Westerwelle hatten sich auf die Bundesbank-Personalien geeinigt. Dann informierte die CDU-Chefin telefonisch die Spitzen der Opposition. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin lobte Weidmanns Qualifikation, kritisierte aber den Seitenwechsel ohne Übergangszeit.
Der SPD-Finanzexperte Carsten Schneider kritisierte: „Ein direkter Wechsel aus dem Kanzleramt an die Spitze der Bundesbank ist eine schwere Bürde.“ Weidmann müsse sich dafür einsetzen, dass die Umwandlung der EZB „in die größte Bad Bank Europas“ verhindert werde.
Deutliche Worte kamen von der Vize-Chefin der Linkspartei, Sahra Wagenknecht: „Die Personalrochaden der Kanzlerin machen den Inzest bei der Besetzung der mächtigsten Positionen dieses Landes deutlich.“ Weidmanns Doktorvater, der Mannheimer Wirtschaftsprofessor Roland Vaubel, kritisierte in der „Stuttgarter Zeitung“ und in der „Welt“ dessen Berufung zum Bundesbankchef. „Ich fürchte, er ist der Aufgabe nicht gewachsen.“ Weidmann sei ein „farbloser Technokrat“. Der Bankenverband dagegen lobte: „Weidmann kennt die Bundesbank sehr gut und besitzt sowohl das Gespür für Märkte als auch für die Politik.“
Merkel hatte Weidmann Anfang 2006 als ihren Berater ins Kanzleramt geholt. Er bereitete auch die Weltwirtschaftsgipfel der G8-und G20-Staaten vor. In der Finanzkrise gehörte er zu den Architekten der gigantischen Rettungspakete für Banken und Wirtschaft.
Weidmann, der auch beim Internationalen Währungsfonds und bei den Wirtschaftsweisen gearbeitet hatte, gilt als strikter Verfechter einer stabilen Währung. Er studierte bei seinem Vorgänger Weber, der sein Mentor wurde. Die tatsächliche Macht der 1957 gegründeten Bundesbank ist seit Gründung der EZB aber stark geschrumpft.
Weidmanns Amtszeit beträgt acht Jahre. Sein Gehalt liegt bei rund 400 000 Euro. Merkel bedauerte sehr persönlich den Abgang ihres Vertrauten: „Der Abschied von ihm fällt mir schwer, sowohl in fachlicher Hinsicht als auch in menschlicher Hinsicht.“