Härtetests bei der Cabrio-Entwicklung
Wolfsburg/Stuttgart (dpa/tmn) - Staub und Nässe müssen sie trotzen, immer und überall. Damit Cabrios im regnerischen Alltag dicht halten, sind die Entwickler besonders gefordert. Dazu reisen sie in die Wüste und den Polarwinter.
Von wegen Handwäsche! Wenn Carmen Lehmann der Blütenstaub auf ihrem Cabrio zu viel wird, fährt sie damit in die Waschstraße. Natürlich fragt sich die Beamtin in Wiesbaden jedes Mal, wie die Ingenieure die Stoffbahn so dicht bekommen haben: „Ich bin immer trocken geblieben“, sagt sie nicht ohne Verwunderung.
Doch ein Wunder widerfährt ihr nicht, vielmehr steckt harte Entwicklungsarbeit dahinter, wenn die Open-Air-Modelle schlussendlich keinen Tropfen nach innen lassen. Werden schon die Prototypen konventioneller Fahrzeuge in allen Klimazonen getestet - im Polarwinter wie unter der Wüstensonne -, so müssen sich Cabrios und Roadster in noch ganz anderen Prozeduren bewähren.
Die Frischluftvariante des VW Golf zum Beispiel wurde in der Wüste einem „Extremstaubtest“ unterzogen, berichtet der technische Projektleiter Volker Engler. Tagelang dauerten die Fahrten auf miserablen Pisten. Dort müssen nicht nur das Fahrwerk, die Lenkung oder der Antrieb zur vollen Zufriedenheit der Ingenieure funktionieren, sondern auch das Verdeck: „Egal wie schmutzig das Auto dabei von außen wird: Nach innen darf bei diesen Marterfahrten kein Staub dringen.“ Das Verdeck müsse sich danach zudem noch problemlos öffnen und schließen lassen.
Neben der Wüste standen für das Golf Cabrio Wolkenbrüche auf dem Programm: Hinter dem „Regentest“ verbirgt sich eine künstliche Sturmflut, die aus allen Richtungen auf die Prototypen nieder prasselt: „Um zu prüfen, ob das Dach wirklich dicht ist, beregnen wir das Fahrzeug aus jedem erdenklichen Winkel. Ein Vollwaschgang in der Wäschetrommel ist dagegen ein Klacks“, sagt der Entwickler.
Weil Cabrios und Roadster längst Alltagsautos für das ganze Jahr geworden sind, sieht man sie immer häufiger auch bei den Wintertests am Polarkreis. Zum Beispiel den BMW Z4. Dessen versenkbares Stahldach musste sich vor der Premiere ebenfalls im Polarwinter bewähren. „Solche Komponenten nehmen wir dort natürlich ganz besonders genau unter die Lupe,“ erläutert BMW-Sprecher Friedbert Holz.
Obwohl es sicher angenehmere Frischluftfahrten gibt, rollten die Entwickler deshalb selbst bei klirrender Kälte mit geöffnetem Verdeck durch die schwedischen Wälder. Bei „Klimawechseltests zwischen extremer Hitze und Kälte“ würden zudem alle relevanten Teile bis minus 20 Grad auf Herz und Nieren getestet, berichtet Holz. Selbst mit 100 Kilo Schnee pro Quadratmeter haben die Tester den Wagen belastet, um die Stabilität von Karosserie und Verdeck zu prüfen.
Auch der neue SLS Roadster hat schon einige Strapazen hinter sich, wenn er auf der IAA in Frankfurt (15. bis 25. September) seine Weltpremiere feiert: Das Auto war beim Staubtest in der Wüste von Laredo im US-Staat Texas, zur Kälteerprobung in Schweden und auf der Rennstrecke: „Im Gegensatz zu manchen Konkurrenzfahrzeugen erreicht unser Roadster das Spitzentempo von 317 km/h, egal, ob er offen oder geschlossen ist“, sagt AMG-Entwicklungschef Tobias Moers: Das stelle an das Verdeck ganz besondere Ansprüche. „Auch bei Vollgas darf kein Flattern, Wummern, Zischen, Klappern, Pfeifen oder Heulen den Fahrgenuss trüben.“ Vibrationsfrei müssen zudem das aufsteckbare Glas-Windschott, die Verkleidungsteile im Innenraum sowie am Verdeck und an der Bordkante bleiben.
Schon die realen Testfahrten waren für Mensch und Maschine ausgesprochen fordernd. Doch noch härter kam es für den SLS Roadster laut Moers daheim im Entwicklungscenter Sindelfingen. Dort müsse jedes neue Modell die „Sindelfinger Regenprobe“ bestehen. Moers zählt Duschen mit dem Feuerwehrschlauch, Dauerberegnung über Nacht, Wasserdurchfahrten sowie Vereisungs-, Schwall- und Hochdruckprüfungen auf. „Wenn der Innenraum dabei trocken bleibt, dann sind wir sicher: Dieses Auto hält auch im Alltag immer dicht.“ Ein Verdeck-Dauertest mit 20 000 Schließvorgängen prüft außerdem Hydraulikzylinder, Elektromotoren und Gelenke. Hinzu kommen 2500 Schließvorgänge im Fahrbetrieb.
Trotz der vielen Tests im Simulator oder auf Prüfständen - um die Testfahrten bei Wind und Wetter kommen die Ingenieure nicht herum. Holger Strahl, Entwicklungs-Projektleiter des SLS Roadsters, sagt: „In diesem Bereich lässt sich nicht alles simulieren, hier heißt die Devise ausprobieren, fahren, testen und optimieren.“ Und das gelte immer, selbst wenn die Entwickler dabei pitschnass werden oder kalte Ohren bekommen.