Auf Zeitreise mit den Rolling Stones

Die Rock-Legenden begeistern die 45 000 Zuschauer in der Düsseldorfer Arena bei einer grandiosen Ü-50-Party.

Düsseldorf. Der Empfang am U-Bahnhof der Düsseldorfer Arena ist schon arg charmant: „Willkommen auf der Ü-50-Party“, ruft der Mann an der Durchsage den aussteigenden Rheinbahn-Fahrgästen zu. Und es stimmt ja, die meisten sind über 50. Aber die Gastgeber dieser Party sind noch deutlich älter: Ü 70. Doch welch eine Party die alten Herren, die Rolling Stones, da geben — das hat es wirklich in sich. Mehr als zwei Stunden rocken sie das mit gut 45 000 Zuschauern voll besetzte Stadion, dessen Dach an diesem Abend geschlossen ist.

Foto: Melanie Zanin

Die großen Vier (nebst zahlreichen weiteren Bandmitgliedern) nehmen die Zuschauer mit auf eine Zeitreise. Eine Reise in ihre eigene Jugend, von der sie sich jetzt noch einmal ein Stück zurückkaufen. Nicht billig zwar, die Karten kosten zwischen rund 100 bis zu 800 Euro — die Höchstpreise für diejenigen, die dem charismatischen Mick Jagger ganz nah sein wollen, wenn das Fliegengewicht immer wieder von der Bühne über den rund 40 Meter langen Steg in den Zuschauerinnenraum tänzelt. In diesem typischen Jagger-Stil halt, mit den nach innen gedrehten Knien. Er trägt die Hauptlast der Show, gewiss, doch die drei anderen großen Stones sind immer noch mehr als bloße Legenden. Ja, Legenden sind sie auch. Aber eben mit einer weiterhin offensichtlichen Begeisterung dabei, die aus den tief vom prallen Leben zerfurchten Gesichtern von Ron Wood und Keith Richards spricht. Und Charlie Watts toppt sie auf seine Art. Wie er da in seinem weißen Hemd distinguiert sein Schlagzeug bearbeitet.

Nur ein Mal gönnt sich Mick Jagger an diesem Abend ein Päuschen, als er das Mikro an Keith Richards weitergibt, der dann „Happy“ und das gefühlige „Slipping Away“ singt. Doch ansonsten hat Jagger die Sache fest im Griff, rockt und bluest sich durch mehr als 50 Jahre Stones-Geschichte.

Ja, so lange geht das schon. Neues kommt da jetzt nicht mehr, die Stones verwalten praktisch nur noch ihr Lebenswerk, aber wie sie das tun! Wie sie ihre alten (und durchaus auch zahlreiche jüngere) Fans mitnehmen, mit „Honky Tonk Woman“, „Brown Sugar“ oder „Start me up“. Besonders die Interpretation ihres alten Hits „Miss you“ mit mehreren Soli, vom Bass bis zum Saxophon, reißt mit. Und da sind auch die Momente, in denen schon der erste angeschlagene Akkord einen freudig zusammenzucken lässt — wie bei „Paint it Black“. Überhaupt die Vorfreude. Sie ist deutlich spürbar, noch bevor die Stones am Montagabend um halb neun die Bühne betreten. Als die ersten Takte von „Sympathy for the Devil“ anklingen, stimmen die Zuschauer schon selbst ein, bevor die Stimme von Mick Jagger übernimmt.

Dieses Mitsingen fordert er auch später noch ein: „Do you want to sing a little bit?“ Ja klar, wollen die Fans „You can’t always get what you want“ singen. Und an diesem Abend kriegen sie dann eben doch, was sie wollen. Und dann auch noch das Lob vom Meister in einem unnachahmlichen britischen Akzent: „Ihr singt wuundebah“. Da ist man denn auch für Düsseldorfer Verhältnisse erstaunlich nachsichtig mit Jagger, als dieser zwischendurch fragt, ob Leute aus Köln da seien und diese dann mit einem Alaaf begrüßt.

Jagger kommt auch auf den ersten Auftritt der Stones in Düsseldorf zu sprechen. 1965 war das. Und da fällt ihm das deutsche Wort „Wasserwerfer“ ein. Einen solchen hatten nämlich damals die Sicherheitskräfte auf dem Düsseldorfer Flughafen eingesetzt, um die Fans von ihren Idolen fernzuhalten. Das sei „crazy“ gewesen, sagt er, aber Schwamm drüber, jetzt wird weiter gerockt.

Nach knapp zwei Stunden wird der Abend mit „Jumping Jack Flash“ beendet. Jedenfalls sagt Jagger so etwas wie „Tschö“. Doch auf die Mediawände projizierte Zungen, das Markenzeichen der Stones, deuten an, dass es noch nicht vorbei ist. Und dann kommen noch zwei Stücke. Das allerletzte ist, wie schön, „Satisfaction“, bei dem sich die alten Herren noch mal völlig verausgaben. Neben der Bühne brennt ein kleines Feuerwerk ab. Und es folgt eine rührende Szene. Charlie Watts, der freundliche ältere Herr am Schlagzeug, zieht sich nachgetaner Arbeit eine gutbürgerliche blaue Jacke über. Oh, wie wunderbar kann es doch sein, alternde Rockstars zu bestaunen. Und mit dem Gefühl nach Hause zu gehen, irgendwann mal sagen zu können: „. . . und ich habe sie noch gesehen.“ Aber vielleicht war es ja gar nicht das letzte Mal. Auf den Leinwänden steht bei Ende der Show neben der roten Zunge geschrieben: „Bis bald“. Also dann, bis demnächst — bei der Ü-60-Party mit Ü-80-Musikern.