Bayreuther Festspiele: Große Momente, manche Schwäche

Ein Rückblick auf die Inszenierungen in Bayreuth.

Bayreuth. Mit drei hochkarätigen, aber sehr unterschiedlichen Inszenierungen endeten die diesjährigen Bayreuther Festspiele. Die Auslaufmodelle "Parsifal" und "Tannhäuser" standen neben der heftig diskutierten "Meistersinger"-Inszenierung" von Katharina Wagner. Seit 2002 erlebte Philippe Arlauds "Tannhäuser" 29 Aufführungen, die sich über die Jahre zu einem bejubelten Publikumsliebling entwickelt haben. Das Erfolgsrezept war einfach: große Stimmen, markiges Dirigat, hochromantische Bühnenbilder, keine extravaganten Regieeinfälle. Das ist Balsam für jeden traditionsbewussten Wagnerianer.

Zum Glück hat sich Wolfgang Wagner auch immer den Sinn für das Experimentelle bewahrt. 2004 gab er Christoph Schlingensief die Chance, seine Medienfantasien an dem religiösen Spätwerk "Parsifal" auszuprobieren. Zu einer zeitgenössischen Umdeutung des Stoffes kam es dabei nicht. Dennoch war es anregend, die eigens für Bayreuth geschriebene Musik einmal mit ganz neuen, ungewohnten Bildern in Verbindung zu bringen. Schlingensief zeigte sich noch einmal dem aufgebrachten Publikum und genoss sichtlich das Bad in den vehementen Buhrufen, zumal laute Bravos dagegenhielten.

Katharina Wagner bewies mit ihrer ersten Regiearbeit in Bayreuth, dass sie sich ganz auf der experimentellen Schiene ihres Vaters verortet. Sie hat eine so intelligente, vielschichtige, humorvolle und ehrliche Arbeit abgeliefert, dass man vor ihrer Courage und ihrer künstlerischen Begabung nur den Hut ziehen kann. Was man Wieland und Wolfgang Wagner seit der Nachkriegszeit ankreidet, dass ihr abstrakter Ästhetizismus eine Verdrängung von Verstrickung und Beteiligung im Nationalsozialismus bedeutete, fasst die Urenkelin unverdrossen beim Schopf und bettet es in einen geistreichen, modernen Diskurs ein.

Die Meistersingerei ist für sie nur der Aufhänger, um den skurrilen Akademismus und eitlen Personenkult des Kunstbetriebes auf die Schippe zu nehmen. Von vorneherein wird man aufgefordert, Dichtkunst, Malerei und Musik parallel zu betrachten. Dasselbe gilt für die Historie. Das mittelalterliche Nürnberg, das Berlin der Bücherverbrennung, die Nachkriegszeit mit ihren Bambi-Verleihungen und "Deutschland sucht den Superstar" zeigen in dieser Inszenierung verblüffende Ähnlichkeiten. Kann man die Komplexität der Verhältnisse der Regisseurin anlasten und ihr vorwerfen, sie habe sich zu viel zugemutet? Man sollte sie loben, dass sie endlich mit einer Arbeit beginnt, die längst überfällig ist.

Musikalisch zeigte das Bayreuth-Finale bei großen Momenten auch manche Schwächen. Mit Christoph Ulrich Meier ("Tannhäuser"), Adam Fischer ("Parsifal") und Sebastian Weigle ("Meistersinger") stand keine erste Garde am Dirigentenpult. Aber sie gewährleisteten eine kohärente Ensemblearbeit, was oft noch wichtiger ist als einseitiger Starkult. Die Festspiele 2008 werden mit einer Neuinszenierung des "Parsifal" und einer Wiederaufnahme von Christoph Marthalers "Tristan" eröffnen. Bis dahin ist vielleicht auch die Nachfolge-Frage geklärt.