Salzburger Festspiele: Eugen Onegin als zynischer Single der Moderne
Andrea Breths Debüt mit Tschaikowsky im Gepäck: Bravos für Sänger, Orchester, Regieteam und den nuancierten Staatsopernchor.
Salzburg. Für Andrea Breth öffnet sich mit der Tschaikowski-Oper "Eugen Onegin" Neuland. Die hochdekorierte Prophetin deutschsprachigen Sprechtheaters arbeitet erstmals mit Daniel Barenboim, erstmals inszeniert sie im Großen Festspielhaus, erstmals will sie sich in Salzburg als Opernregisseurin profilieren. Das machte selbst Berliner Polit-Prominenz neugierig.
Doch löst der Abend nicht die hohe Erwartung ein. Für die unglückliche Liebesgeschichte engagiert die genaue Menschen-Beobachterin die erste Ausstatter-Garde und verdankt Martin Zehetgruber den Publikums-Erfolg. Der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Österreicher baut betörende Bilder, lässt goldgelbe Kornfelder sprießen, die an Bauschs "Nelken" erinnern, installiert herrschaftliche Räume und Bälle, und ewig kreist die Drehbühne.
Wie ein Dandy dringt Onegin in Tatjanas ländliche Idylle ein, lässig, cool und, wenn auch erst Anfang 20, voller Ennui. Die Hände in den Hosentaschen, Zigarette im Mund - so beobachtet er zynisch und gähnend den Ball einer erstarrten Gesellschaft.
Kaum nachvollziehbar, dass ausgerechnet dieser Störenfried Tatjanas Herz erobert, sie aber eiskalt abblitzen lässt. Das kann die Breth: Wie eine Psychoanalytikerin beleuchtet sie die Protagonisten. Die Konflikte zwischen Anpassung und Befreiung verlegt sie aber aus den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts in die Wohlstandsgesellschaft der Nachkriegszeit.
Magie liegt zwar den meisten Bildern zugrunde. Doch irritiert, dass Tatjana in der Briefszene in einem gläsernen Gartenkäfig hockt und ihre Gefühle in die Schreibmaschine tippt. Und die sängerisch überzeugende Anna Samuil nicht weiß, wie sie Seelenpein aus dem Wintergarten herüberbringen soll.
Wie hier, so bleiben häufig Handlung und Barenboims Dirigat müde und matt. Glänzend gelingt aber die Ballszene, die Breth mit Komik und Ironie würzt. Und Peter Mattei mit mächtig kernigem Bariton (Onegin) und Joseph Kaiser mit leichtem, goldglänzenden Tenor (Lenski) brillieren in dem legendären Duell. Onegin, ein Single, der sich langweilt, und der Schwärmer Lenski - sie sind Freunde und duellieren sich dennoch wegen eines Missverständnisses.