Dieter Wedel besänftigt Kriemhilds blutige Rache
Nibelungen-Festspiele: Der TV-Regisseur bringt die Uraufführung von Moritz Rinkes „Die letzten Tage von Burgund“ in Worms heraus.
<strong>Worms. Das ideologisch stark belastete "Nibelungenlied" zu vermarkten und an die Stadt Worms, dem mittelalterlichen Zentrum Burgunds, zu binden, ohne dabei in ein deutsch-patriotisches oder gar nationalsozialistisches Fahrwasser zu geraten, ist keine leichte Aufgabe. Der Dramatiker Moritz Rinke hat jetzt in seinem dritten Teil der "Nibelungen" versucht, eine entschlackte Fassung von Kriemhilds blutrünstiger Rache im Reich der Hunnen zu schreiben, in der von Heldenkult oder Nibelungentreue gar keine Rede mehr ist. "Die letzten Tage von Burgund" werden so zu einem beeindruckenden Spektakel moderner Dekadenz. TV-Regisseur Dieter Wedel weiß, was ein breites Publikum sehen will. Vor dem pittoresken Nordportal des Domes lässt er Jens Kilian eine freie, raffiniert konstruierte Fläche bauen, aus der sich schnell Elemente hochfahren oder in der Tiefe versenken lassen. Große, mobile Portale strukturieren den Raum, werden zu Fenstern oder Feuerbänken. Was an der Vorlage Rinkes wehtun könnte, streicht er heraus. Kriemhild (Jasmin Tabatabai) ist keine rachsüchtige Furie, sondern eine liebende Frau, die Siegfried nicht vergeben konnte, dass er mit Brünnhilde geschlafen hat. Darum verrät sie Hagen die Stelle, wo Siegfried verwundbar ist.
Kriemhild in heiterer Rosamunde-Pilcher-Ästhetik
Das Hunnenreich wird nach Ungarn verlegt. Etzel (Dieter Laser) erscheint als ein gesettelter Geschäftsmann, ganz lieb, aber dauerlüstern, mit der rassigen Anouschka Renzi ständig an seiner Seite. Kriemhild fühlt sich wohl bei ihm. Auf großen Leinwänden werden mit heiterer Rosamunde-Pilcher-Ästhetik Szenen aus ihrem luxuriösen Leben eingespielt. Sie will nicht, dass er ihre Verwandten einlädt. Doch ihm gehen die Geschäfte mit dem Westen über ihre Bedenken.
Wedel zeigt eine Welt von bundesrepublikanischen Gutmenschen. Schuld trägt keiner. Wofür auch? Jeder geht seinem Beruf nach, so gut er eben kann. Dazwischen schöne Frauen, die den Alltag würzen. Macht besitzt allerdings auch keiner. König Gunter (Roland Renner) gerät zur Karikatur, seine Brüder sind Weicheier. Wenn etwas durchgesetzt werden muss, greifen immer präsente Soldaten in NVA- und Polizei-Uniformen ein. Sie brechen jeden Widerstand. Nur der Staat hat Macht. Privatpersonen sind so frei und so gut, wie es ihr Geldbeutel erlaubt.
Täglich bis 5. August, Tickets unter Tel. 01805/337171