Choreografin Deborah Colker: „Ich bin eine obsessive Frau“

Interview: Die brasilianische Choreografin Deborah Colker über ihr Stück „Rota“, ein Riesenrad auf der Bühne und Strickmuster von Burda. Im Juli kommt sie nach Köln.

Köln. Deborah Colker trägt ein Piraten-T-Shirt. Beim Sprechen gestikuliert die Choreografin so wild, als tanze sie gleich los. Die Brasilianerin zeigt beim Kölner Sommerfestival ihr Stück "Rota".

Frau Colker, Sie haben erst mit 17 Jahren begonnen zu tanzen. Ist das nicht ziemlich spät?

Colker: Fürchterlich spät, ja! Mit sechs wollte ich Klavierspielerin werden, mit elf Volleyballerin und mit 15, mitten in der Pubertät, habe ich alles hingeschmissen. Ich stürzte in eine tiefe Krise, denn ich bin eine obsessive Frau. Ich muss meine Energie loswerden! Tanzen verbindet alle meine Leidenschaften.

Sie sagen immer wieder, Ihre Arbeit sei wie Brasilien. Provozieren Sie so nicht Klischees?

Colker: Damit meine ich ja nicht Karneval oder Fußball. Ich identifiziere mich mit Brasilien, weil es ein junges Land ist, gerade mal 500 Jahre alt. Wir haben keine Tradition wie Europa. So habe ich auch die Freiheit, Neues auszuprobieren und Stile zu mixen.

In "Rota" kombinieren Sie zeitgenössischen Tanz mit klassischer Musik.

Colker: Ich spiele gerne mit ernsthaften Dingen, zum Beispiel mit dem klassischen Ballettvokabular. Mit den Emotionen, die eine Musik auslöst, beginnt meine Phantasie. Als ich zum Beispiel Schubert hörte, dachte ich an Menschen, die sich am Boden wie in einem Boot auf- und nieder bewegen - nur ohne Boot.

Neben Schubert erklingen bei Rota auch die Chemical Brothers. Mögen Sie Kontraste?

Colker: Ja. Als ich sagte, ich will Mozart, die Chemical Brothers, Strauss und Tangerine Dream verbinden, sagten alle: Das ist unmöglich. Aber ich will mich nicht auf einen Stil festlegen. Auch Halbwüchsige wollen spielen, verschiedene Musikrichtungen ausprobieren. Diese frische Energie liebe ich. Insofern ist "Rota"ein jugendliches Stück.

Im zweiten Akt lassen Sie die Tänzer in einem riesigen Rad auftreten. Dieses Symbol ist ja nicht gerade neu.

Colker: Ich finde es spannend, dass es so viele Assoziationen zum Rad gibt: Es kann die Rotation der Erde, ein wissenschaftliches Instrument wie bei Leonardo da Vinci oder ein Autorad darstellen. Witzigerweise wurde ich in Disneyworld dazu inspiriert, ein Rad auf die Bühne zu stellen.

Einer Ihrer Tänzer hatte Angst, auf das sieben Meter hohe Rad zu steigen.

Colker: Mehr als einer. Ich weiß noch, als ich das erste Mal ankam und sagte: "Dies ist das Rad. Lasst uns hineingehen und tanzen." Alle blickten mich an und sagten: "Sie ist total verrückt."

Aber Sie zwangen sie dazu. Gehen Sie hart mit Ihren Tänzern um?

Colker: Ich kann nicht mit einer Pistole da stehen und schreien: "Geht auf das Rad, jetzt!" Aber wenn es einer versucht und sagt: "Wow, es ist super, ich helfe Dir!", dann trauen sich die anderen auch und probieren Bewegungen aus. Die Tänzer mussten sich einen neuen Raum aneignen. Das ist eine Herausforderung, so als wenn man auf einem Zehnmeter-Turm steht und ins Wasser springen muss, oder das erste Mal Fahrrad fährt.

"Rota" heißt Routen. Sie haben Linien auf die Rückwand der Bühne projiziert. Was bedeuten sie?

Colker: Das sind Strickmuster aus Zeitschriften des Burda-Verlags. Sie bilden einen Navigationsplan und leiten dazu an, Formen zu konstruieren. Die dünnen und dicken Linien lassen sich auf tänzerische Bewegungen übertragen.

Das letzte Mal kamen Sie zur Fußball-WM nach Deutschland. Ihr Stück "Maracanã" floppte. Wie erklären Sie sich das?

Werdegang Deborah Colker ist 46 Jahre alt. Sie spielte zwölf Jahre lang Klavier, sieben Jahre war sie Profi-Volleyballspielerin und studierte sechs Jahre lang Psychologie.

Kompanie 1994 gründete Colker ihre Companhia de Danca de Rio de Janeiro.

Familie Colker ist verheiratet und hat die Tochter Clara (23) und den Sohn Miguel (20)

Aufführungen Mit "Rota" gastiert Colker vom 20. bis 29. Juli in der Kölner Philharmonie, Bischhofsgartenstraße 1

Karten Tel.. 0180/51 52 53 0