Mehr wert als all der Goethe

Uraufführung: Die „Kölner Affäre“ erzählt in der Halle Kalk voller Gefühl vier Lebensgeschichten.

Köln. Den roten Schirm fest in der Hand, steht eine Frau vor dem Kölner Dom. Ein Mann schleppt zwei ramponierte Koffer. Für einen anderen, einen mit schmieriger Luden-Frisur und Porschebrille, scheint es nicht das erste Kölsch heute zu sein. Und diese verhuschte kleine Frau, die sich ständig die Brille hochschiebt, was ist mit ihr? Will ich das überhaupt wissen? Was geht mich das Leben dieser Menschen an?

Aus dem Off ertönt ihr Lieblingslied: "Für mich, soll’s rote Rosen regnen". Sich selbst das Beste zu wünschen, und das auch noch auszuhalten, das findet sie schon enorm. Hanna dekoriert ihre Küche: Die Fächer aus Bali und Shanghai, die Döschen mit Korkdeckel bekommen einen ausgewählten Platz.

Zeit für Ilknur Bahadir nebendran zwischen Kuchentheke und Backofen die aus der Ukraine geflüchtete Nastasja vorzustellen: Diese Frau aus Köln arbeitet in einem Café und hat einen Sohn. Doch Nastasja kommt nicht klar mit ihm, daher lebt er jetzt in einer Pflegefamilie. Wie sie das Rezept für den perfekten Mohnkuchen findet - immer wieder probiert, immer wieder scheitert und zum Schluss triumphiert - das erklärt viel von ihrem zarten, zugleich starken Wesen.

Die Monologe wechseln sich ab, der Song "Moon River" begleitet den Schritt von einer Welt in die andere. Als echt kölsche Type meint man Foxy, den Mietwagenfahrer, schon nach den ersten Sätzen zu erkennen. Schauspieler Markus John stellt sich zuerst selbst vor, klebt sich dann einen Schnäuzer an und setzt sich als Foxy in der detailgetreu aufgebauten Mietwagen-Zentrale in den abgeschremmelten Sessel.

Von seiner Jugend und dem Kölner Nachtleben schwärmt dieser Mann, zählt die halbseidene Prominenz der Domstadt auf, als stelle er seine Familie vor - "bekannt" setzt er gerne hinzu, oder "is klar". Von seiner dreijährigen "Kur" im Knast von Ossendorf erfährt der Zuschauer und von seinem unehelichen Sohn, den er nicht kennt, aber so gern einmal sehen würde.

Als letzter gibt Juris Baratinsiks Einblick in sein Schlafzimmer. Dort, wo er mit Alexandra "eine verzehrende Liebe der unteren Körperregionen" erlebt hat. Mit einem Koffer Zigarren und einem Koffer Kaviar kam er nach Köln, verzweifelte an den Frauen und fand den Frieden im Buddhismus.

Vier Räume, vier Menschen, vier Leben - wenn im Fernsehen das Private ins Öffentliche gezerrt wird, möchte man nur noch umschalten. Aber hier könnte man ewig zuhören, wie das Leben diesen Männern und Frauen mitgespielt hat. In keiner Minute verraten die Darsteller ihre Figuren, niemand gerät zur Karikatur, trotz gezeigter Macken. Eine scheinbar einfache Idee, die zeigt, wie berührend der Blick in die Seele eines Menschen sein kann.

3 Stunden mit Pause, Auff.: 10., 11., 13. April, jeweils 19.30Uhr, Karten: Telefon 0211/22128400.