Tanz: Mit Sasha Waltz im Morgenyoga

Erfolgreiches Company-Modell in Berlin ist eröffnet.

Berlin. In Sasha Waltz’ legendärer "Allee der Kosmonauten" (1996) berührte er mit seinem tieftraurigen Blick, wenn er den Countertenor gab oder halsbrecherischen Slapsticktanz vollführte. Nun hockt Juan Kruz Diaz de Garaio Esnaola mit Lätzchen und Pottfrisur auf einem übergroßen Kinderhochstuhl und nuckelt melancholisch an einer Frauenbrust.

Er könnte eine Figur aus dem Stuwwelpeter sein, wäre die Welt um ihn herum nicht so schwarz. "Ars melancholiae" nennt der Spanier sein abgründiges, kraftvolles Tanztheater, das bei der mehr als ausverkauften Uraufführung im Berliner Radialsystem die baskischen Wurzeln verriet. Gleichzeitig eröffnete es Sasha Waltz’ Förderprojekt "Choreografen der Zukunft".

Ein ehrgeiziges Programm zum 15-jährigen Jubiläum von ihrer Company. Der verdiente Tänzer mit dem imposanten Namen ist als choreografisches Talent kein Newcomer, allein mit "D’avant" feierte er weltweit Erfolge. Wirklich prominent aber ist er noch nicht und somit Waltz’ erste Wahl. "’Choreografenwerkstätten’ gab es schon zur Schaubühnen-Zeit (1999-2006) - aus Bordmitteln finanziert", erzählt Jochen Sandig, Geschäftsführer von "Sasha Waltz & Guests" und Lebenspartner von Deutschlands bedeutendster Choreografin ihrer Generation.

"Jetzt aber erreichen wir mit dem Hauptsponsor BASF eine neue Stufe - aus eigener Kraft hätten wir das nicht stemmen können", gibt er zu Protokoll. Geplant sind mindestens drei Programme pro Jahr, die im Radialsystem uraufgeführt werden und anschließend international touren, auch im Ludwigshafener Theater im Pfalzbau, mit dem der Chemiekonzern kooperiert.

"Leute, an deren große Zukunft wir glauben, wollen wir an die Spitze führen", betont der Tanzmanager. Ziel sei es, dass sie sich in einer vernetzten Selbstständigkeit entwickeln: "Wir unterstützen sie bei der Suche von Koproduktionspartnern. Dazu stellen wir unsere Kontakte zur Verfügung und ermöglichen eine weltweite Plattform".

Erstaunlich, dass mit Juan Kruz Diaz de Garaio Esnaola, Luc Dunberry und Nasser Martin-Gousset allein drei bereits international erfolgreiche Talente aus "Sasha Waltz & Guests" hervorgegangen sind. Und fast alle zwölf Schaubühnen-Tänzer (1999- 2006) haben eigene Tanzstücke kreiert. Das Geheimnis liegt in dem außergewöhnlichen Company-Modell. "Sasha Waltz achtet schon bei der Auswahl der Tänzer darauf, dass sie keine Interpreten, sondern kreative Künstler engagiert". Ihre Tanz- wie Opernprojekte seien Gemeinschaftsarbeiten jenseits hierarchischer Systeme. "Das setzt eine andere menschliche Energie frei und ist Teil unseres Erfolgsmodells", fügt Sandig noch hinzu und verabschiedet sich, wie um das Gesagte zu beweisen: Nach kollektivem Morgen-Yoga und Teamsitzung gehen Sasha Waltz und die Ihren nun zum gemeinschaftlichen Mittagessen.

Von enger Verbundenheit zeugt auch, dass Laszlo Sandig (9), Sohn des Mentoren-Paares, in "Ars melancholiae" in Projektionen zu sehen ist. Was problematisch ist. Denn Esnaola zelebriert ironisch-morbide Rituale und Prozessionen, schafft abgründige Szenarien - Dämonen in "Bernarda Albas Haus" frei nach Lorca. Auch der Körper des Kindes wird wie zur Teufelsaustreibung mit schwarzer Farbe bespritzt. Einige verließen den Saal.

"Travelogue I/Twenty to eight": 21.-24. März, Radialsystem, Berlin, Karten: 030/24628020