Theater: Gefangen im Kerker der Macht
Stefan Bachmann inszeniert Schillers „Maria Stuart“ im Düsseldorfer Schauspielhaus und zieht aktuelle politische Parallelen.
<strong>Düsseldorf. Wie ein Hund rollt sie sich zusammen auf dem Betonboden. Kein Bett, keine Decke, kein Licht schützen sie vor der Kälte des Kerkers. Die heulende Sirene kündigt die Schergen der Königin Elisabeth an: Ihre Uniformen sitzen perfekt, amerikanisch-modern die Mützen auf ihrem Kopf. An den Händen tragen sie sterile Einmalhandschuhe - Leibesvisitation. Von der Gefangenen Maria Stuart geht höchste Gefahr aus, denn sie stachelt an zu Terror und Hochverrat, heißt es. Das Todesurteil ist gesprochen, nun wartet der Henker, dass die Herrscherin den Befehl gibt. Marias Kopf wird fallen.
Maria Stuarts Todesurteil ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht
Macht, nicht Gerechtigkeit führte zu diesem Richterspruch, klagt die Verurteilte. Ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Aus Schottland war Maria geflüchtet und hoffte in England auf Schutz. Mit seinen ersten Szenen provoziert Regisseur Stefan Bachmann Bilder, wie man sie aus Gefängnissen im Irak und Afghanistan kennt. Bedrückend aktuell erzählt er im Düsseldorfer Schauspielhaus von Schillers politischer Gefangenen "Maria Stuart". Dabei hält er eine kunstvolle Balance: Nie schafft er plumpe Parallelen, sondern lässt Raum für Assoziationen, die den starken Dialogen folgen können. Maria ist im Weg. Daran besteht kein Zweifel. Ihre Zelle, eine schiefe, quadratische Betonfläche, ist der einzige Spielraum, den Bachmann den Figuren im Großen Haus bietet (Bühne: Hugo Gretler). Die Königin von Schottland ist immer da, auch wenn das Stück sie in manchen Aufzügen gar nicht vorsieht. Fällt der doppelgesichtige Graf von Leicester (Sebastian Blomberg), der beiden Frauen sein Herz verspricht, vor der einen auf die Knie, so verbeugt er sich zugleich auch vor der anderen. Schmale Stege führen nach hinten ins schwarze Nichts oder nach vorn ins Publikum. Der Wille des Volkes, den Elisabeth (Olivia Grigolli) hier zu vernehmen meint, soll ihr Handeln lenken. Altertümliche, laute Hofmusik begleitet den Auftritt Ihrer Majestät. Sie trägt den pompösen Putz zur Schau, wie Cate Blanchett es gerade auf der Kinoleinwand getan hat.Immer wieder bedient sich die Inszenierung filmischer Elemente. Klaviermusik begleitet Szenenwechsel, steigert die Spannung einzelner Dialoge. Wie in Zeitlupe stürmt Mortimer (Michele Cuciuffo) durch das Bild. "Ich beschütze dich", verspricht er Maria und findet kurze Zeit später den Tod. Selbst der Wind, der an diesem Abend um das Düsseldorfer Schauspielhaus pfeift, passt zu der sich zuspitzenden Stimmung.
Ein anrührender Moment gelingt, wenn für Maria (Melanie Kretschmann) auf ihrem kalten Betonboden Rasen ausgerollt und ihr das schmerzlich süße Gefühl von Freiheit erlaubt wird. Ihr stummer Schrei steigert sich in ausgelassenes Gehoppse. Wie ein Fußballspieler nach dem Tor wirft sie sich der Länge nach auf den weichen, nassen Boden. Die Qual des Kerkers wird im Augenblick der Freude spürbar.
Stück: Schiller erzählt in der 1800 uraufgeführten Tragödie von Maria Stuart, Königin von Schottland, die von der englischen Königin Elisabeth im Kerker festgehalten wird. Bereits zum Tode verurteilt trifft Maria auf die Herrscherin und bittet um Gnade. Am Ende siegt die Gewalt: Trotz einiger Skrupel unterschreibt Elisabeth die Hinrichtungsurkunde, weil sie ihre Machtposition bedroht sieht. Maria Stuart stirbt auf dem Schafott.