Ai Weiwei: Neumann attackiert Museumschefs
Berlin (dpa) - Seit fast einem Monat ist der chinesische Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei hinter Gittern - in Deutschland streiten Kulturleute über den Umgang mit Diktaturen. Einer von ihnen ist jetzt ziemlich deutlich geworden.
„Weichgespülte Floskeln“, „geschmacklos“, „völlig inakzeptabel“ - Bernd Neumann nahm kein Blatt vor den Mund. In der Debatte um die deutsche Ausstellung in Peking, die Verhaftung des Künstlers und Regimekritikers Ai Weiwei und die Haltung der Museumschefs aus Berlin, München und Dresden meldete sich der Kulturstaatsminister am Dienstagabend mit deutlicher Sprache zu Wort. Zwar vermied der CDU-Mann, die Museumsmanager beim Namen zu nennen - doch die Zuhörer in der Akademie der Künste verstanden die Botschaft wohl: Mit der Schau zur „Kunst der Aufklärung“ läuft wohl etwas ziemlich schief.
Nicht nur, dass sich das Besucherinteresse im Nationalmuseum in Grenzen hält - die Verhaftung Ai Weiweis nur zwei Tage nach der Eröffnung und die laue Reaktion aus Deutschland stellen die auswärtige Kulturpolitik vor knifflige Fragen. Welchen Sinn hat es, teure Kunstprojekte in Diktaturen anzukurbeln, wenn dabei die Kunst- und Meinungsfreiheit auf der Strecke bleibt?
Unangenehm aufgefallen seien die Museumsleute bei der Ausstellungseröffnung, sagte Neumann. Sie hätten sich in den Ohren der Chinesen offenbar so angehört „wie die Sprache der eigenen Funktionäre“. Neumann zitierte zwar nur Eindrucke des anwesenden Präsidenten des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann. Wen Neumann damit meinte, war klar: „Wer sich auf dem Parkett der internationalen Kulturpolitik bewegt, muss sich immer bewusst sein, dass er gerade in unfreien Ländern ein Mandat als Anwalt der Freiheit - wo immer es geht - wahrzunehmen hat.“
Klaus Schrenk, Generaldirektor von Bayerns Staatsgemäldesammlung und einer der Adressaten der Philippika des Staatsministers, hielt an seiner Hoffnung fest, trotz Zensur und Repression könne die Schau die Werte der Aufklärung vermitteln und erfülle somit ihren Zweck. „Das ist keine naiv konzipierte Ausstellung.“
Über Naivität sprach auch der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger. China werde sich mit einer einzelnen Schau sowenig ändern, „wie sich die DDR durch die Konzerte von Udo Lindenberg in Ost-Berlin verändert hat“. Auch Egon Bahr (SPD), Mitbegründer der Ostpolitik, plädierte für kleine - und leise - Schritte, wie einst im Umgang mit der Sowjetunion und ihren Dissidenten. „Unser Ai Weiwei war Alexander Solschenizyn.“
Für den Goethe-Chef Lehmann hat die mit 6,6 Millionen Euro vom Bund und weiteren Millionen von der Industrie finanzierte Schau einen Geburtsfehler: „Die Ausstellung ist ein Staatsakt“ - und werde damit auch von Chinas Regierung als politische Aktion verstanden. Die Verhaftung Ais sei eine Provokation, doch die Schau diene vor allem dem „großen Auftritt“ der deutschen Museen in Peking: „„Wenn ich 100 Journalisten aus Deutschland mitnehme, will ich eine Wirkung in Deutschland haben.“
Wie alle Teilnehmer sprach sich aber auch Lehmann gegen einen vorzeitigen Abbruch aus: „Das wäre verbranntes Geld.“ Er muss es wissen: Als früherer Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz war er an der Vorbereitung einst selber beteiligt. Heute plädiert er dafür, den Austausch einzelner Künstler zu unterstützen, das Goethe-Institut biete dafür eine Plattform.
Vor übertriebenen Hoffnungen warnte der China-Experte Tilman Spengler, dem Peking ein Einreisevisum verweigert hatte. Das Interesse an deutschen Autos in China werde sich nicht in der Besucherzahl der Ausstellung niederschlagen, das politische Gewicht der Bundesrepublik dürfe man auch nicht überschätzen.
Auch Akademiepräsident Klaus Staeck gab sich realistisch: „Wir werden heute nicht aufklären, wo sich Ai Weiwei befindet“. China werde sich auch nicht so schnell öffnen. Doch Staeck ahnt eine Diktatorendämmerung: „Die Revolte in den arabischen Ländern hat gezeigt, dass es die alten Gewissheiten nicht mehr gibt.“