Der Kosmos von Niki de Saint Phalle

Schwäbisch Hall (dpa) - Selten gab es so tiefe Einblicke in den einzigartigen Kosmos von Niki de Saint Phalle (1930-2002): Die Kunsthalle des „Schraubenkönigs“ und Mäzens Reinhold Würth zeigt von diesem Sonntag an in Schwäbisch-Hall rund 180 Gemälde, Skulpturen und Installationen der populären amerikanisch-französischen Künstlerin.

Weltweit berühmt wurde „die Niki“, wie sie stets genannt wurde, durch ihre „Nanas“ - diese meist fröhlich-bunten, leichtfüßig tanzenden, unförmig-erotischen Plastik-Matronen, die sie seit Mitte der 1960er Jahre schuf. Die Ausstellung „Spiel mit mir“, gestützt vor allem auf Leihgaben aus aller Welt, ist bis 16. Oktober zu sehen.

„Es ist eine Künstlerin, die gut tut“, sagte Kurator Guido Magnaguagno am Freitag. Ihre ganz spezielle Welt, „ist so kunterbunt wie die von Pippi Langstrumpf“. Ihre großen Plastiken auch vor dem Museum sorgen für ausgesprochen ungewöhnliche Kontraste in der Altstadt von Schwäbisch Hall. Kinder stürzen sofort hin, fassen sie an und klettern etwa auf dem „Nikigator“ herum, einer mit teils spiegelnden Mosaiksteinchen besetzten Krokodil-Skulptur. Was durchaus erwünscht ist.

Niki de Saint Phalle aber auf „kunterbunt“ oder „verrückt“ zu reduzieren, würde ihr nicht gerecht. Ohne Zweifel zählt sie zu den wichtigsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Sie sei ebenso ein „Synonym für Frauenpower“ geworden. Ein Künstlerleben lang habe sie für ihre Rolle und für die Rolle der Frau gekämpft. „Wie kaum jemand zuvor hat Niki de Saint Phalle der urwüchsigen Kraft der Weiblichkeit einen gültigen Ausdruck verliehen“, heißt es im Katalog.

Kurator Magnaguagno nannte sie auch „Jeanne d'Arc der Kunst“. Sinnbildlich dafür seien ihre berühmten Schießbilder. Einst schoss sie bei Vernissagen auf ihre in Gips modellierten Bilder, in die Farbbeutel eingeschlossen waren. Die Farbe ergoss sich über den bleichen Gips. Sie selbst sagte dazu einmal: „1961 schoss ich auf Papa, alle Männer, bedeutende Männer, dicke Männer, Männer, meinen Bruder, die Gesellschaft, die Kirche, den Konvent, die Schule, meine Familie, meine Mutter.“ Das habe ihr geholfen, die eigene traumatische Kindheit zu bewältigen.

Aufgewachsen in einer begüterten französischen Adelsfamilie in New York, begab sie sich 1950 in psychotherapeutische Behandlung, um den Missbrauch durch den eigenen Vater zu verarbeiten. Aus dieser Zeit stammen ihre ersten Kunstwerke, in denen auch schon jene Schlangen, starken Frauen, Tiere und Kathedralen auftauchen, die sie später weltberühmt machen sollten. In ihrem Buch „Mein Geheimnis“ setzte sie sich später mit dem sexuellen Missbrauch durch den Vater auseinander.

Die Tochter der Künstlerin, Laura Duke, wurde beim ersten Blick in die Kunsthalle sehr emotional: „Es ist, als wäre sie wieder da. Sie helfen mir, sie durch die Ausstellung wiederzufinden.“ Niki de Saint Phalle starb 2002 an den Folgen einer Lungenkrankheit, die mit dem jahrelangen Einatmen von giftigen Polyesterdämpfen beim Erschaffen ihrer „Nana“ in Zusammenhang gebracht wurde.