Streit über Pekinger Ausstellung heftiger - Weltweite Proteste

Ai Weiwei bleibt verschwunden hinter Gittern. Der Druck auf die deutsche Kunstausstellung in Peking wird stärker. Einen Abbruch der Schau will niemand mehr ausschließen.

Berlin/München (dpa) - Knapp zwei Wochen nach der Verhaftung des regimekritischen Künstlers Ai Weiwei in China reißt der Streit um die deutsche Kunstausstellung in Peking nicht ab. Für den Deutschen Kulturrat wäre ein Abbruch der Ausstellung „kein Desaster“. Die schwache Reaktion aus Deutschland auf die Verhaftung zeige das Dilemma staatlich geförderter Kulturprojekte in Diktaturen. Für diesen Sonntag sind Menschen weltweit zu Demonstrationen zur Freilassung Ai Weiweis vor chinesischen Botschaften und Konsulaten aufgerufen.

Der Münchner Museumschef Klaus Schrenk, erklärte, ein Ausstieg aus der Ausstellung „Kunst der Aufklärung“ im Nationalmuseum Peking sei nur in enger Abstimmung mit der Bundesregierung denkbar. Eine so weit reichende Entscheidung könne nur gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt, Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und der deutschen Botschaft getroffen werden. Die drei Generaldirektoren der beteiligten Museen aus Berlin, Dresden und München könnten sowas nicht allein entscheiden, betonte der Chef der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen laut einer Sprecherin. Westerwelle hatte am 6. April gegen einen vorzeitigen Rückzug der Ausstellung aus Peking abgelehnt.

Der Dresdner Sammlungschef Martin Roth sprach sich für einen Verbleib der Ausstellung zur „Kunst der Aufklärung“ in Peking aus. Ein Abzug wäre die „ultima ratio“. Damit würden die Menschen in China bestraft, die so für eine grausame Fehlleistung ihrer Regierung zahlten. Er sei davon überzeugt, dass die momentane Besucherflaute in der Ausstellung noch nichts über deren Erfolgsaussichten aussagt. Offenkundig seien die chinesischen Museumsleute vorsichtig geworden und würden für die Schau nicht so werben wie anfangs geplant.

In einem offenen Brief forderten unterdessen 15 Freunde, Verwandte und Kollegen von Ai Weiwei Aufklärung über das Verschwinden von Regimekritikern. „Zwangsweises Verschwinden oder Entführungen sind schwere Verbrechen.“ Die Polizei müsse sich an rechtsstaatliche Verfahren halten und deren bürgerliche Rechte wahren.

An diesem Sonntag wollen sich mit einer weltweiten Aktion Künstler für die Freilassung des 53-jährigen Ai Weiwei einsetzen. In Anlehnung an dessen documenta-Beitrag „Fairytale“ haben sie im Internetnetzwerk Facebook dazu aufgerufen, in verschiedenen Städten der Welt - darunter auch in Berlin und München - um 13.00 Uhr Ortszeit 1001 Stühle vor diplomatischen Vertretungen Chinas aufzustellen. Weitere Orte sind zum Beispiel New York, Stockholm, London, Paris, Wien, Moskau, Madrid und Hongkong. 2007 hatte Ai Weiwei auf der documenta 1001 Chinesen nach Kassel kommen lassen und damit für Aufsehen gesorgt.

Amnesty International rief für Samstag (12.00 Uhr) zu einer Solidaritätskundgebung für den verschwundene Künstler am Brandenburger Tor in Berlin auf. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation sind in China seit Mitte Februar mehr als 100 friedliche Dissidenten festgenommen, unter Hausarrest oder unter Beobachtung gestellt worden.

Der Kulturrat begrüßte einen möglichen Ausstieg aus der Pekinger Kunstschau. „Schwäche wird von Diktaturen nicht belohnt“, sagte der Kulturrats-Geschäftsführer Olaf Zimmermann. Die Verhaftung von Ai Weiwei wenige Stunden nach der Eröffnung der deutschen Ausstellung sei eine Provokation, die nicht hingenommen werden könne. „Peking hat gewusst, dass sich die deutsche Seite nicht konsequent zu diesem Affront verhalten würde.“

Die Millionenbeträge für repräsentative Ausstellungen wie in Peking seien in der ausländischen und deutschen Künstlerförderung viel besser aufgehoben. „Damit können wir nicht zehn, sondern hunderte Künstler einladen.“ Die Schriftsteller, Maler oder Filmemacher könnten so viel besser die Erfahrungen mit Freiheit und Demokratie weitergeben, als es eine einzelne Mammutschau vermag.

Eine Art „TÜV“ für den Kulturaustausch mit diktatorisch geführten Staaten hält Martin Roth generell für nicht machbar. „Werte lassen sich nicht in DIN-Normen fassen.“, sagte er der dpa. Möglicherweise habe man sich aber in der Außenwirkung bisher zu stark auf Auslandsinstitutionen wie das Goethe-Institut konzentriert.