Ausstellung: Der Schmelztiegel Sizilien

Bundeskunsthalle zeichnet mit 350Exponaten die Geschichte von Odysseus bis Garibaldi nach. Der Besuch lohnt sich.

Bonn. Sizilien, das ist eine Verheißung. Die Assoziationsketten reichen von Sonne, Meer und Vulkanen über Korruption und Gewalt bis zum Geschichtsurlaub zu den Städten der Antike. Die neue Ausstellung in der Bundeskunsthalle in Bonn weckt aber auch eine andere Idee: Sizilien spiegelt die Vielfalt Europas, so viele Herrscher hat es überlebt und sie in ihren Zeugnissen bei sich behalten. Auf Sizilien, dieser größten Insel im Mittelmeer, wurde der Probelauf für ein tolerantes Miteinander schon um 1060 unter den Normannen geprobt.

Roger II., der im Auftrag des Papstes eigentlich gegen die arabischen Herrscher vorgehen sollte, duldete in seinem Gesetzgebungswerk, den Assisen von Ariano, die ethnische und religiöse Vielfalt. An seinem Hof in Palermo wurden fünf Sprachen gesprochen, darunter Griechisch, Arabisch und Hebräisch. Die arabische Kultur zog ein, die Normannen übernahmen auch den Diwan, die arabische Finanzverwaltung. Ein schönes Lehrstück des Möglichen für unsere Zeit.

Niemand wird von den Kuratoren gezwungen, die Normannen auf Sizilien als große Entdeckung mit nach Hause zu nehmen. Sie haben 350 Exponate aus zahlreichen Museen der Insel chronologisch aufgebaut, zeigen Sizilien von Odysseus bis Garibaldi, der im 19. Jahrhundert die Einigung des Landes erstritt.

Wer die Räume betritt, der steht zuerst Naturgewalt und Mythos gegenüber. Auf einer großen Projektionswand ist der Lava speiende Ätna zu sehen, bedrohliches Grollen dringt aus den Lautsprechern. Davor in Marmor die Blendung des Zyklopen durch Odysseus. Zum Trio wird die Begrüßung durch eine Schale mit der Trikeles, der dreibeinigen Sonne - Zeichen der dreieckigen Insel.

Was dann? Der Besucher kann nach links zur Neuzeit gehen und etwa Caravaggios "Anbetung der Hirten" bewundern, das erst in der Nacht ankam und einer Konkurrenzausstellung in Trapani "weggeschnappt" wurde. "Er hat mit diesem Bild den Barock in Sizilen eingeläutet", sagt Projektleiterin Katharina Chrubasik. "Wir wollten es unbedingt haben."

Wendet sich der Besucher jedoch nach rechts, dann taucht er tief in den Brunnen der Vergangenheit ein. Ritzzeichnungen aus der Zeit 10000 vor Christus werden präsentiert. Weiteren steinernen Arbeiten folgen die Griechen, die ab dem 8. Jahrhundert vor Christus an der Ostküste siedelten. Vor der Kulisse des Theaters von Taormina, das die Römer umbauten, sind Büsten Cäsars und Augustus’ sowie ein Kolossalkopf des Heilgottes Asklepios aufgebaut. Eines der schönsten Einzelstücke ist ein Jüngling von Agrigent aus dem fünften Jahrhundert.

Die Griechen führten auf Sizilien ihr Polissystem ein, aus der üppigen grünen Insel mit zahlreichen Flüssen wurde die Kulturlandschaft aus Städten und Kornfeldern. Wenn Kurator Guilio Macchi von Sizilien als einem Paradies schwärmt, dann meint er das alte Eiland. Es ist ein anderer Glanz, der uns geblieben ist: Nach den Römern herrschten unter anderem Araber, Normannen, Staufer, Habsburger und Bourbonen. Das Besondere ist nun, dass dieser Schmelztiegel der Kulturen nie dazu geführt hat, dass der eine Einfluss den anderen auslöschte. Die Stile vereinigten sich oder bauten aufeinander auf, was gut in den Sakralbauten zu beobachten ist.

Das heiße Blut, wie es den Sizilianern nachgesagt wird, ist dem ein oder anderen Exponat ablesbar. Neben der Kunst ist das Kunsthandwerk vertreten, prächtiger Altarschmuck und die großen landestypischen Marionetten. Wer je eine Prozession auf der Insel verfolgt hat, hat seine Freude an den Darstellungen der heiligen Rosalie. Sie hielt die Pest auf - und man weiß nicht, was man mehr bewundern soll: diese Tat oder das Modell für den 31Meter großen Triumphwagen.

Dauer: "Sizilien - von Odysseus bis Garibaldi" ist bis zum 25. Mai zu sehen. Bundeskunsthalle Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4.

Öffnung: Mo geschl., di/ mi 10-21, do-so 10-19 Uhr

Eintritt: 7,50, erm. 5 Euro

Führungen: di/mi 13.30/17.30 Uhr, do/fr 13.30, sa/so/feiertags 13.30/16.30 Uhr. Kinder: sa/ so/ feiertags 16.30 Uhr