Bilder hinter Gittern: Haus der Kunst öffnet Archive

München (dpa) - „Verkauft an Führer“: Das Haus der Kunst in München widmet sich dem dunkelsten Kapitel seiner 75-jährigen Geschichte und öffnet seine Archive zum ersten Mal für eine breite Öffentlichkeit.

Von diesem Sonntag an ist die Ausstellung „Geschichten im Konflikt“ zu sehen, die von den ersten 18 Jahren der Institution erzählt - von den Jahren 1937 bis 1955.

Das Haus zeigt auch Bilder aus den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ (GDK), den Propagandaschauen der Nazis. Eines trägt auf der Rückseite noch einen Aufkleber „verkauft an Führer“. Adolf Hitler war der beste Kunde. Die Online-Plattform „GDK Research“, die im vergangenen Jahr freigeschaltet wurde, zeigt: Insgesamt sieben Millionen Reichsmark gab er für Bilder aus. 15 000 davon zahlte er für das Bild eines Einhorns und eines Eichhörnchens Seit an Seit.

Die Ausstellung hat Bilder aus der Schau aus zwei Gründen hinter Gittern aufgehängt, so dass man sie von beiden Seiten sehen kann. Ihre Rückseite mit Hinweisen auf ihren Verbleib soll gezeigt werden. Und die Gitter sind symbolträchtig. „Die Bilder wurden nach dem Zweiten Weltkrieg personifiziert“, sagt Kuratorin Sabine Brantl. Während die Künstler selbst oft unbehelligt weiterarbeiten konnten, entstand um ihre Werke eine Art dunkler Mythos. Damit will die neue Ausstellung aufräumen. „Der Punkt ist, dem Haus das Fetischistische zu nehmen“, sagt Direktor Okwui Enwezor.

Denn die Verstrickung der deutschen Kunstszene in die Nazi-Zeit ist vielleicht nirgendwo heute noch so sichtbar wie im Haus der Kunst. Im Juli 1937 eröffnete Hitler mit einer großen Parade das „Haus der deutschen Kunst“. Es war ein architektonisches Vorzeigeprojekt, wenn der monumentale Bau an der Südseite des Englischen Gartens, der heute auch den Nobelclub P1 beheimatet, von den Münchnern auch schnell den Spitznamen „Weißwurstallee“ bekam - wegen der Reihe großer weißer Säulen an der Frontfassade.

Die jährlich stattfindende GDK wurde zum Aushängeschild der Nazi-Propaganda, das Haus der Kunst zum Sinnbild der Gleichschaltung und der Unterdrückung freier Kunst. Das Haus wurde, wie Enwezor sagt, zum „Tempel der Nazi-Kunst“. „Die Ausstellung gibt eine Vorstellung davon, was passiert wäre, wenn die Nationalsozialisten erfolgreich gewesen wären und ihre Kunstvorstellungen durchgesetzt hätten. In welchem Zustand wäre die zeitgenössische Kunst heute? Es ist völlig unvorstellbar, was das bedeutet hätte.“

1937 wurde in den Münchner Hofgartenarkaden die von Joseph Goebbels initiierte Propaganda-Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt mit Werken von Künstlern wie Ernst Barlach und Paul Klee. „Sogar ich dachte zum Beispiel, dass die Ausstellung "Entartete Kunst" hier stattgefunden hat“, gibt Enwezor, der das Haus seit Oktober 2011 leitet, zu. „Das hat sie nicht. Das Haus muss seine Geschichte neu erzählen.“

Genau darum endet die Ausstellung auch nicht mit dem Jahr 1945, sondern zehn Jahre später. Sie zeigt die Zeit der amerikanischen Besetzung, als das Haus zum Offizierskasino der US-Armee wurde und Soldaten Hitlers heilige Hallen „entweihten“, wie Kuratorin Brantl sagt, und aus den großen Sälen zum Beispiel Basketballfelder machten.

Die Schau endet mit dem Aufbruch in eine neue Zeit und der Rückkehr der unterdrückten Moderne. 1949 wurde im Haus der Kunst die Ausstellung „Der blaue Reiter“ gezeigt, wenige Jahre später eine Max-Beckmann-Ausstellung und im Jahr 1955 eine Picasso-Retrospektive mit dem zentralen Werk „Guernica“.

„Die Entwicklung des Hauses ist keine historische Einbahnstraße“, sagt Enwezor. Es gehe nicht um die Rehabilitierung der Institution, sondern darum, ihre Geschichte neu zu erzählen. Die Ausstellung soll bis zum 13. Januar 2013 zu sehen sein. Danach will das Haus der Kunst eine kleinere Dauerausstellung zu seinen Archiven einrichten. „Es ist ein Gebäude und das müssen wir in der Gegenwart bewohnen - nicht nur in der Vergangenheit“, sagt Enwezor.