Das puscheligste Bild der Welt: Der Dürer-Hase
Berlin (dpa) - Gerade jetzt ist er wieder überall präsent, auf Osterkarten, Servietten und Mousepads: der „Feldhase“ von Albrecht Dürer (1471-1528). Er diente als Vorbild für die ersten Schoko-Hasen, er ist das Urbild des Osterhasen.
Kaum eine Tierdarstellung dürfte so oft reproduziert worden sein.
Das Original-Aquarell befindet sich in der Albertina in Wien. „Es ist sicherlich das bekannteste Werk, das wir im Haus haben“, sagt die Dürer-Expertin des Museums, Chefkuratorin Maria Luise Sternath. „Früher war es so, dass Dürers "Betende Hände" diese Stellung eingenommen haben, aber in den letzten 20, 30 Jahren hat sich diese Entwicklung zugunsten des Hasen herauskristallisiert.“
Warum ist der Hase so unglaublich beliebt? Zunächst einmal ist er sehr gut getroffen. Man meint fast, über das weiche Fell streicheln zu können und den zarten Knochenbau zu spüren.
Aber da ist noch mehr: Das Bild verrät etwas über das Wesen des Tieres an sich. Wenn ein Mensch sich ausruht, kann er die Welt um sich herum vergessen - ein Fluchttier wie der Hase kann das nicht. Der Dürer-Hase hat die Ohren aufgestellt und signalisiert dadurch die Bereitschaft, jederzeit aufzuspringen und wegzulaufen. Sternath glaubt, dass vor allem dadurch eine so „unheimliche Faszination“ von ihm ausgeht.
Kunstgeschichtlich ist das Bild bedeutsam, weil man nur einen Hasen sieht - sonst nichts. „Bis dahin waren Tier-Darstellungen immer verpackt in religiöse Bilder“, sagt die Kunstbuchautorin Angela Wenzel von der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. „Aber jetzt kommt der Hase alleine daher. Dieser Hase ist einfach nur Hase.“
Eben darum sieht man dem Bild seine 500 Jahre nicht an - es könnte heute noch genauso gemalt werden. Neu war auch, dass Dürer kein großes, mächtiges Tier als Motiv wählte. Als einer der ersten richtete er den Blick auf das Alltägliche.
Viele Forscher haben sich den Kopf darüber zerbrochen, ob Dürer einen ganz bestimmten Hasen abgebildet hat. Dann wäre es geradezu ein Hasen-Porträt. Der Überlieferung zufolge soll Dürer das Tier während eines Hochwassers im Sommer 1502 vor dem Ertrinken gerettet und dann mit in sein Atelier in Nürnberg genommen haben. Wenn man ganz genau hinschaut, erkennt man, dass sich in der Pupille des Hasen ein Fenster spiegelt - das Fenster des Ateliers? Dann würde der Hase vielleicht doch für eine bestimmte Idee stehen, nämlich für die gefangene Kreatur oder die unterworfene Schöpfung.
Letztlich wisse man nicht, ob der Dürer-Hase nach einem lebenden Tier entstanden sei, sagt Sternath. „Es gibt Spekulationen, dass es vielleicht ein toter Hase war. Und dann hatte Dürer natürlich diese phänomenale Gabe, vieles einfach aus der Erinnerung wiederzugeben.“ Auch Wenzel ist sich sicher: „Dürer war ein Mann, der mit sehr offenen Augen durch die Welt gegangen ist und alles beobachtet hat.“
Heute geht die Beliebtheit des Bildes sicher zum einen darauf zurück, dass Dürer so berühmt ist, und zum anderen darauf, dass der Hase so niedlich ist. „Der Hase ist ein Tier, das wir prinzipiell liebhaben“, sagt Sternath. Und Wenzel meint: „Er ist einfach weich. Weich und puschelig.“