Echt oder dreist kopiert?
Kriminelle Energie kennt keine Grenzen: Ein Solinger Museum zeigt Original und Fälschung von Design-Produkten.
Am Anfang hat sich einer geärgert, das aber gewaltig. Als der Ulmer Designer Rido Busse im Frühjahr 1977 am Messestand eines Herstellers aus Hongkong dessen orangefarbene Diät- und Briefwaage entdeckte, traute er seinen Augen kaum: Das war doch sein Entwurf, entwickelt für die Murrhardter Firma Soehnle, bis aufs Grammstrichlein nachgemacht. Und statt 26 Mark sollte sie im Laden weniger als einen Zehner kosten. Kunststück, die Firma Lee aus Hongkong hatte weder für den Entwurf noch für die Entwicklung noch für Reklame oder Marketing einen Pfennig ausgegeben. Und sie war kein unternehmerisches Risiko eingegangen. Rido Busse, einer der profiliertesten Designer der Republik, griff damals zur Selbsthilfe. Die einstweilige Verfügung gegen den Hersteller des Plagiats hatte nämlich nur zur Folge, dass sich alsbald ein anderer fand, der sich mit der geklauten Idee eine goldene Nase verdiente. Golden wie die Nase des schwarzen Zwergs, mit dem Busse seinerzeit die Firma Lee ehrte - als Negativauszeichnung eine Art Goldene Himbeere oder Saure Gurke der Designerzunft. Name: Plagiarius.<h3 align="center">Sogar Verpackungen und Beschriftungen werden imitiert
Das ist jetzt 30 Jahre her, und der hartnäckige Mann aus Ulm verleiht Jahr um Jahr - nach bescheidenen Anfängen ziemlich öffentlichkeitswirksam auf der "Ambiente" in Frankfurt - seinen angepinselten Gartenzwerg. Die (zumeist nicht anwesenden) Empfänger sind die dreistesten eines dunkelgrauen Gewerbes, das mittlerweile geschätzt zehn Prozent des gesamten Welthandels ausmacht: die Marken- und Produktpiraterie.
Wer das neue Heim für den schwarzen Zwerg (als Kombination von alten und neuen Bauteilen geplant vom Kölner Architekten Reinhard Angelis) betritt, glaubt erst einmal doppelt zu sehen. Thermoskannen, Armaturen, Möbelstücke, Messgeräte, Plastikbagger: In den Glasvitrinen steht alles zweimal. Erst bei näherem Hinsehen zeigen sich die Unterschiede im Detail, und bei einigen Stücken nicht einmal dann. Bis in die Beschriftung der Verpackung reicht zuweilen die kriminelle Energie der Imitatoren und Fälscher.
In dieser Hinsicht allerdings zeigt so mancher europäische Unternehmer seine asiatische Seite ohne jeden Skrupel.
Um der Rolle des Handels im üblen Spiel gerecht zu werden, wird neben dem Plagiarius gelegentlich der Krämerseelenpreis verliehen. Ob es den Kunden juckt, der bei Norma den tollen Korkenzieher so schön billig gekriegt hat? Der Verbraucher schaut auf den Geldbeutel und denkt sich nichts. Sollte er aber, nicht nur, weil er mit dem Plagiat böse Überraschungen erleben kann (siehe Stihl-Säge).
Adresse Museum Plagiarius, Bahnhofstraße 11, 42651 Solingen, Telefon 0212/221 0731
Geöffnet Di bis So von 10-17 Uhr
Eintritt Erwachsene 2 Euro, Schüler und Studenten 1 Euro, Kinder unter 14 Jahren frei