Internet: Per Mausklick ins Museum

Mit Googles Art Project kann man durch 17 bedeutende Museen schlendern und sich hautnah an Meisterwerke heranmachen.

London/Berlin. Es ist ein bisschen unheimlich. Noch nie bin ich einem Bild so nah wie Edouard Manets „Im Wintergarten“ gewesen. Sehr genau kann ich die Ringe am Finger der abwesend wirkenden Dame betrachten, man kommt sich fast indiskret vor. Es geht aber noch näher, bis ich an ihrem Auge jede Wimper und jeden kleinen Riss im Firnis erkennen kann — und noch immer ruft mich kein Museumswärter streng zur Ordnung.

Der wird auch nicht kommen, denn ich bewege mich nicht durch die reale Alte Nationalgalerie in Berlin, sondern durch ein virtuelles Museum.

Das hat der Internet-Konzern Google gerade eröffnet — der Eigen-PR zufolge soll es auf Initiative kunstbegeisterter Mitarbeiter entstanden sein. Im Sommer 2009 habe man Kontakt zu Museen aufgenommen, 17 der weltweit bedeutendsten machen nun mit — der Louvre und der Prado fehlen wohl.

Zwar machen viele Museen ihre Bestände bereits im Internet zugänglich. Auch die von der EU geförderte Digitalbibliothek Europeana wächst stetig. Doch das kostenfreie Google Art Projekt eröffnet buchstäblich eine neue Dimension. In jedem der beteiligten Museen wurde ein Bild in extrem hoher Auflösung fotografiert und mit einer Spezial-Technik zusammengefügt.

Sieben Milliarden Pixel ermöglichen es dem Betrachter, sich einem Werk bis in kleinste, mit bloßem Auge nicht erkennbare Einzelheiten zu nähern. In der Berliner Gemäldegalerie ist es ganz leicht, auf dem Bild „Der Kaufmann Georg Gisze“ (1532) von Hans Holbein dem Jüngeren nicht nur das Schwarze unter dem Nagel heranzuholen, sondern auch oben an der Wand einen winzigen lateinischen Spruch zu entziffern. Man könnte auch Botticellis „Venus“ in den Uffizien an die Locken gehen, um deren Rottöne zu studieren.

Zu diesen Aushängeschildern kommen rund 1050 normal hochauflösende Bilder von fast 500 Künstlern sowie virtuelle Rundgänge durch die Museen.

Google-Vizepräsident Nelson Mattos sagte bei der Einweihung des Projekts in der Londoner Tate Gallery: „Wir hoffen, dass es die Menschen inspirieren wird, wo auch immer sie leben, Kunst anzuschauen und zu erforschen.“

Bedenken, dass es Kunstfreunden künftig reicht, durchs virtuelle Museum zu schlendern, und die realen Museen deshalb veröden, haben deren Chefs nicht. Der Direktor der Tate, Nicholas Serota, sagte: „Unserer Erfahrung nach wollen Menschen, wenn sie erst einmal einen Blick darauf haben werfen können, auch das Original sehen.“ Günter Schauerte von den Berliner Staatlichen Museen sieht in der Kooperation nur Vorteile: „Wir kommen mit Unterstützung eines Weltkonzerns an eine Öffentlichkeit heran, die wir sonst nie erreicht hätten — und wir zahlen nichts zu.“

Google-Manager Mattos sagte, der Konzern verfolge mit dem Projekt keine kommerziellen Interessen. Aber ob bei den Besuchern der virtuellen Museen nicht bald wenigstens Werbung für Kunstbücher aufklappt?