Kein Bürostuhl, sondern Kunst - Portigon verkauft seinen Bilderschatz
Der Verkauf von kapitaler Kunst aus landeseigenen Unternehmen in NRW geht weiter. Nun kündigt die WestLB-Nachfolgerin Portigon ihre Verkaufspläne an. Für die Kunstszene ist das eine Hiobsbotschaft, für die Bankgesellschaft dagegen alternativlos.
Düsseldorf (dpa). Für die Kunstszene in Nordrhein-Westfalen kommt die nächste Hiobsbotschaft gleich zu Jahresbeginn. Die Portigon AG, Nachfolgerin der zerschlagenen WestLB, kündigte offiziell den Verkauf ihrer umfangreichen Kunstsammlung an.
Jedes der rund 400 Objekte müsse abgestoßen werden - Picassos Stierlithographien, ein „Gartenbild“ von August Macke, Werke von Joseph Beuys und Günther Uecker. Portigon-Chef Kai Wilhelm Franzmeyer sieht „keine Alternative“ zu dem Kunstverkauf. Denn der Bilderschatz gehört ebenso wie zwei millionenschwere Stradivari-Geigen zum Betriebsvermögen des Unternehmens Portigon, das nach EU-Vorgaben abgewickelt und aufgelöst werden muss. Der Steuerzahler soll nach den Milliardenverlusten der WestLB möglichst nicht zusätzlich belastet werden.
Für den Kunstbetrieb bedeutet das aber den schmerzhaften Verlust weiteren Kulturguts aus NRW. Seit im vergangenen November zwei Siebdrucke von Andy Warhol aus dem Besitz des Casino-Betreibers Westspiel in New York für mehr als 100 Millionen Euro (ohne Aufpreis) versteigert wurden, ist über die Grenzen von NRW hinaus eine hitzige Debatte entbrannt, ob Kunst aus indirektem Landesbesitz verkauft werden darf.
Für die Museumsdirektoren in NRW war der Warhol-Verkauf ein Tabubruch. Denn mit dem Millionen-Erlös soll Westspiel saniert werden. Auf die Barrikaden gingen die Museen nach der Ankündigung des Verkaufs der Portigon-Sammlung. „Anders als ein Bürostuhl lässt sich ein für die Öffentlichkeit bedeutendes Kunstwerk nicht mehr ersetzen, wenn es nach Auktion oder anderweitigem Verkauf in einer Privatsammlung irgendwo in der Welt verschwindet.“
Die Museen fühlen sich missbraucht durch ein nach ihrer Ansicht „zynisches“ Angebot des Portigon-Chefs, die Kunstwerke vor dem Verkauf noch eine Zeit lang auszustellen. „Unsere Häuser dürfen nicht zum Durchlauferhitzer für den Kunstmarkt werden!“, schrieben die Direktoren. Denn auf dem Kunstmarkt steigen Werke im Preis, wenn sie einmal „museabel“ gemacht wurden.
Schon vor Monaten begann in NRW der Aderlass. Zuerst zog das Energie-Unternehmen Eon aus dem Museum Kunstpalast ein hochkarätiges Werk von Jackson Pollock ab und ließ es versteigern. Im November verkaufte Westspiel die Warhol-Bilder, die einst das Casino Aachen geschmückt hatten. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hatte angekündigt, sich angesichts massiver Sparzwänge von Werken aus seiner 600 Arbeiten umfassenden Sammlung trennen.
Wie wertvoll die Portigon-Sammlung ist, weiß niemand. Die Werkliste wird von der Landesregierung unter Verschluss gehalten. Namen der Künstler sind zwar bekannt, nicht aber, ob es sich um hochkarätige Ölgemälde handelt oder um Papierarbeiten, die in der Regel nicht so hochpreisig sind. Aber klar ist schon jetzt, dass auch einige Museen in NRW bluten müssen, die Werke aus der Portigon-Sammlung als Dauerleihgaben zur Verfügung gestellt bekommen haben. Dazu gehören im übrigen auch die Bänke des Künstlers Eduardo Chillida im Rathausinnenhof in Münster.
Schwierig ist die Lage für NRW-Kulturministerin Ute Schäfer (SPD). Sie hat als Konsequenz aus dem Warhol-Streit für den 5. Februar einen Runden Tisch aus Politik, Kulturexperten und Unternehmen angekündigt. Das Gremium soll über den Umgang mit Kunstwerken in Besitz landeseigener Unternehmen diskutieren. Auch Portigon ist dabei. NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hatte seine Parteikollegin bereits Ende vergangenen Jahres in die Grenzen verwiesen. Er werde nicht zulassen, dass der Runde Tisch über den Verkauf der Portigon-Sammlung mitentscheide. Schäfer reagierte nun kühl auf die Portigon-Ankündigung: „Was auf der Tagesordnung steht, bestimmt sicherlich nicht ein einzelner Teilnehmer.“
Der frühere Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff warf der Landesregierung vor, ihre „Wächterfunktion“ über „Schatzhäuser“ wie Museen oder Banken zu ignorieren. Er forderte in einem Beitrag in der jüngsten Ausgabe der Zeitung „Politk & Kultur“ des Deutschen Kulturrats, den öffentlichen Kunstbesitz auf Stiftungen zu übertragen, um ihn dem Zugriff von Politikern und Managern zu entziehen. Auch Walter-Borjans schrieb für das Blatt: Kunstbesitz von Unternehmen sei „untrennbarer Teil unternehmerischen Risikos“.