Bilanz nach 100 Jahren Kunstfest Weimar hinterfragt die Oktoberrevolution

Weimar (dpa) - Das Kunstfest Weimar stellt 100 Jahre nach der Russischen Oktoberrevolution die Frage nach dem Erbe des Kommunismus. Unter dem Titel „Ein Gespenst geht um...“ konnten Interessenten zum Auftakt zu Fuß oder per Bus den baulichen Spuren des Kommunismus in Weimar und Umgebung folgen.

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Mit dem Roman „Wie der Stahl gehärtet wurde“ - einst Pflichtlektüre in DDR-Schulen - begann eine fünfteilige Lesereihe mit Podiumsdiskussion.

Am Abend sollte das Aktionstheater PAN.OPTIKUM aus Freiburg/Breisgau das Kunstfest auf dem Marktplatz offiziell eröffnen. „TRANSITion“, so der Titel des Straßentheaters, führte durch mehrere Tausend Jahre menschliche Geschichte.

Bis zum 3. September will das Festival mit rund 30 Produktionen und mehr als 100 Veranstaltungen - darunter Erst- und Uraufführungen und eigenen Auftragsproduktionen - schlaglichtartig beleuchten, wie die Revolution die Menschen rund um den Erdball bis heute prägt. „Die Revolution im Herbst 1917 war erstmals der Moment, in dem die gesellschaftliche Idee des Kommunismus in die Praxis umgesetzt wurde, mit all den bekannten Folgen“, sagte Kunstfest-Chef Christian Holtzhauer. „Es war der größte und radikalste politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und natürlich auch kulturelle Systemwechsel, den die Menschheit erlebt hat.“

Er habe unsichtbare und sichtbare Spuren hinterlassen. Mit dem Jugendtheater „Stellwerk“ entstand das Projekt „Die Revolution und ihre Enkel“, bei dem junge Weimarer ihre Eltern und Großeltern nach Erinnerungen an die DDR befragen. Aus Ex-Jugoslawien kommen die Theatermacherin Sanja Mitrovic und Schauspieler Vladimir Aleksic mit der deutschen Erstaufführung „Ich schäme mich nicht für meine kommunistische Jugend“.

Sasha Waltz & Guests zeigen in ihrer Wiederaufnahme die Berliner „Allee der Kosmonauten“ und damit den Geist der Nachwendezeit. Aus China kommt das dokumentarische Tanzstück „Red“ über die Oper „Das rote Frauenbataillon“. Sie war eine von acht Bühnenwerken, die während der Kulturrevolution von 1966 bis 1976 aufgeführt werden durften.

In Weimar wird auch die selten gespielte „Kantate zum 20. Jahrestag der Oktoberrevolution“ von Sergej Prokofjew von 1936/37 aufgeführt. Das gewaltige Werk von Orchester, Militärkapelle und zwei Chören von 1936/37 trifft auf ein Werk für Plattenspieler und Orchester seines 1975 in London geborenen Enkels Gabriel Prokofiev.

„Malalai - die afghanische Jungfrau von Orléans“ von Robert Schuster und Julie Paucker erinnert an eine Sanitäterin aus dem Unabhängigkeitskrieg 1880 gegen die Briten. Das Stück wird in Kooperation von der afghanischen Theatergruppe Azdar sowie deutschen, französischen und israelischen Akteuren aufgeführt. Die Gruppe aus Afghanistan hatte erst nach monatelanger Ungewissheit die Visa für das Kunstfest-Projekt erhalten, das wie andere Projekte von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wird.

Der Kunstfest-Chef erwartet wiederum etwa 30 000 Besucher. Das Festival war 1990 zur deutschen Wiedervereinigung gegründet worden und hat in diesem Jahr einen Etat von rund 1,7 Millionen Euro.