„Martin, schäm Dich“: Kippenberger-Schau in Berlin
Berlin (dpa) - Ein gekreuzigter Frosch, ein derangiertes Hakenkreuz oder ein Männerstriptease im Zeitlupentempo - Martin Kippenberger hatte eine unerschöpfliche Lust an der Provokation.
Mit 44 Jahren starb der begnadete Maler, Schriftsteller, Musiker, Tänzer und Selbstdarsteller nach einem Leben im Turbogang. Zu seinem 60. Geburtstag am 25. Februar widmet das Berliner Gegenwartsmuseum Hamburger Bahnhof dem inzwischen weltberühmten Künstler eine umfassende Werkschau. Beziehungsreicher Titel „Martin Kippenberger: sehr gut/very good“.
Gleich im ersten Raum der riesigen Rieckhallen empfängt die berühmte Installation „Martin, ab in die Ecke und schäm dich“ (1989) den Besucher auf seinem ein Kilometer langen Rundgang. Ein täuschend lebensechter schwarzer Mann steht da in der Ecke, den Rücken zum Publikum gewandt, und murmelt schuldbewusst vor sich hin. Mit solch ironischen Wendungen nimmt Kippenberger sogar noch die Aufregung um seine skandalträchtigen Werke gekonnt auf die Schippe.
Heute gilt der Künstler als einer der wichtigsten Vertreter der Jungen Wilden, die mit den Mitteln von Parodie und Spott nach einer Befreiung der Kunst suchten. „Das ganze Werk ist von einem sehr liberalen Geist geprägt“, sagte Nationalgalerie-Direktor und Kurator Udo Kittelmann am Donnerstag vor der Ausstellungseröffnung. „Er war nicht auf Klamauk aus. Es sind immer bittere Wahrheiten, die er versucht hat zu vermitteln.“
Auf 3000 Quadratmetern sind rund 300 Arbeiten zu sehen - neben Bildern auch private Fotografien, Bücher, Plattencover und Filme. Die Skulptur des gekreuzigten Frosches „Zuerst die Füße“ (1990) wird gleich in vierfacher Ausfertigung gezeigt. Auch die wichtige Bildserie „Uno di voi, un tedesco in Firenze“ (1976/1977) und der wunderbar schwebende dicke Mann auf dem Drahtseil („Ohne Titel“, 1988) sind vertreten.
Zu Kippenbergers radikalsten Werken gehört die mehrteilige Installation „Weiße Bilder“, die laut Nationalgalerie bisher sehr selten gezeigt wurde. Elf weiße Leinwände sind so in eine weiße Wand eingelassen, dass sie praktisch mit ihr eins werden. Erst bei genauem Hinsehen ist eine durchsichtig glänzende Kinderschrift zu erkennen, in der Kippenberger seinen Arbeiten durchgehend die Note „sehr gut“ gibt. „Ironie, Konzept und Avantgarde-Rhetorik verschmelzen hier zum scheinbar leeren White Cube“, notieren die Ausstellungsmacher.
Dass gerade die Berliner sich so intensiv um Kippenberger bemühen, hat seinen guten Grund. Der gebürtige Dortmunder war zwar nur von 1978 bis 1981 in der Stadt, entwickelte hier aber „wichtige Themen seines künstlerischen Kosmos“, wie Kuratorin Britta Schmitz sagt. In Berlin gründete er „Kippenbergers Büro“, schrieb einen Roman, wird vorübergehend Geschäftspartner des legendären Punk-Clubs SO36, spielt in Bands und verbringt die Nächte in der berühmten Paris Bar - für kostenloses Essen und vor allem Trinken tauschte er zahlreiche Bilder ein.
„Martin ist nie lange geblieben an einem Ort. "Heimweh Highway", so hat er einen Katalog genannt, knapper kann man sein Leben nicht fassen“, schrieb seine Schwester Susanne kürzlich im „Tagesspiegel“. 1995 nimmt der schon schwerkranke Tausendsassa seinen letzten Wohnsitz im Burgenland. In der Serie „Das Floß der Medusa“ malt er sich in der Pose des Schiffbrüchigen mit aufgeschwemmtem, geschundenem Körper. Am 7. März 1997 stirbt er in Wien. Im Interview hatte er einmal gesagt: „Ich arbeite daran, dass die Leute sagen können: Kippenberger war gute Laune.“