Zeitgenössische Kunst NordArt: Internationale Kunstschau in Büdelsdorf
Kiel/Büdelsdorf (dpa) - Die beiden 30 Meter langen und jeweils acht Tonnen schweren „Phönix“-Skulpturen eröffnen den Rundgang über die diesjährige NordArt - eine der größten jährlichen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in Europa.
Der chinesische Künstler Xu Bing hat seine gigantischen Vögel - sie sind zum Großteil aus Schrott gefertigt - bereits auf der Kunstbiennnale in Venedig gezeigt. Jetzt hängen seine „Phönixe“ am Dach einer riesigen Halle der Carlshütte mitten in Schleswig-Holstein. Die ehemalige Eisengießerei als Industriedenkmal mit rauem Charme, ein Skulpturenpark in einem Landschaftsgarten mit Seerosenteich und eine historische Remise bilden das Areal der 19. NordArt.
Während am Samstag im etwa 400 Kilometer entfernten Kassel die Weltkunstschau documenta startet, lohnt auch ein Blick auf die ebenfalls mit großer Internationalität und einem breiten künstlerischen Spektrum gestaltete 19. NordArt in der norddeutschen Provinz - in Büdelsdorf, etwa 30 Kilometer von Kiel.
Mehr aus 200 Künstler aus etwa 50 Ländern wurden ausgewählt, 4000 Künstler hatten sich beworben. China ist stark vertreten. Die künstlerische Landkarte der NordArt reicht rund um den Globus: Von Japan bis Vietnam und Südkorea, von China und Russland bis Frankreich, aber auch Künstler aus Iran, der Türkei oder Syrien zeigen ihre Arbeiten: Gemälde, Skulpturen, Videos, Zeichnungen.
Dänemark hat als Gastland den Länderpavillon mit Arbeiten von 20 Künstlern gestaltet. „Eine Auswahl von Künstlern zu treffen, die das spezifisch Dänische repräsentieren, mag sinnlos erscheinen“, betont die Kuratorin und Künstlerin Jette Geil. Sie habe sich daher von der dänischen Version der Künstlerkollektive leiten lassen, in denen seit über 125 Jahren etablierte und junge Künstler vernetzt sind - Kunst aus drei Generationen, zwischen 23 Jahren und über 70 Jahren.
Dazu gehören poppig-naive Stillleben-Arrangements der aus Peru stammenden Milena Bonfacini und das „Bild meines Vaters“ von Sys Hindsbo, ein schwarz-weißes Großgemälde, das wie die Metapher einer entfremdeten Gesellschaft wirkt mit Figuren, die sich gegenseitig nicht anschauen. Betörende, magische Pastelltöne bietet Anders Kirkegaard mit seiner „Paraphrase“ von Lauritz Andersen Rings in Dänemark berühmten Gemälde „Sommertag am Roskilde Fjord“.
Der tschechische Bildhauer David Černý, der schon manche Provokationen schuf, darf als diesjähriger „Fokus“-Künstler und NordArt-Preisträger des Vorjahres mit 20 teils bizarren Kunstwerken fast eine ganze Halle gestalten. Dazu gehören überdimensionale Babys oder vier riesige Pistolen aus Fieberglas, zwischen denen Menschen hindurchgehen können und dabei mit Toilettengeräuschen überrascht werden. Eine Skulptur stellt einen auf dem Bauch Liegenden dar, dem die Hände gefesselt sind - das Gesicht mit Schnauzbart erinnert manche an den irakischen Diktator Saddam Hussein, andere an den Schriftsteller Günter Grass.
„Wir wachsen seit Jahren, in diesem Sommer rechnen wir mit 90 000 Besuchern“, sagt NordArt-Ko-Kuration Inga Aru, die aus Estland stammt. Beim Pre-Opening am Freitag werden die dänische Kulturministerin Mette Bock, ein Vertreter der chinesischen Botschaft, Schleswig-Holsteins Landtagspräsident Klaus Schlie und der Gastgeber, der Unternehmer und Mäzen Hans-Julius Ahlmann, sprechen. Viele Künstler werden erwartet. Fürs Publikum öffnen die Pforten nach der Eröffnungsfeier am 10. Juni nachmittags. Die Schau bleibt bis zum 8. Oktober geöffnet.
Von einem Gesamtkunstwerk sprechen die NordArt-Macher. Denn im Vorfeld arbeiten einige Künstler dort an ihren Skulpturen. Und während der Kunstschau ist das Areal, auf dem auch eine große Konzerthalle steht, das Zuhause der Orchesterakademie des Schleswig-Holstein Musik-Festivals (SHMF) mit jungen Musikern aus aller Welt. In der Carlshütte gibt es große SHMF-Veranstaltungen - im letzten Jahr mit dem Schauspieler Klaus Maria Brandauer als Rezitator und diesmal mit dem amerikanischen Organisten Cameron Carpenter. Aber auch der bayerische Kabarettist Gerhard Polt gibt ein Gastspiel, zudem lockt ein „Poetry Slam op Platt“.