Kunstausstellung "Fleischelust" Ran an den Speck! Ausstellung zeigt viel Fleisch

Eine Ausstellung für eingefleischte Kunstliebhaber: In Oberschwaben widmet sich ein Museum dem Thema Fleisch - vom tanzenden Leberkäse bis zum Schweinekopf-Monster. Nichts für empfindliche Mägen.

Museumsleiterin Stefanie Dathe steht zwischen Kunstwerken der Künstlerin Iris Schieferstein, die in ihrer Arbeit Tierkörperteile neu zusammensetzt.

Foto: Stefan Puchner

Burgrieden (dpa) - Stefanie Dathe würde doch glatt einmal von ihrem Sessel naschen. Sie steht neben dem „Chair Apollinaire“, einem Stuhl, bezogen mit zusammengenähten Rindfleisch-Streifen. „Es sieht aus wie Leder oder der Ötzi“, sagt die Museumsleiterin und lächelt. Der Rindsbezug ist 70 Kilo schwer, dunkelrot bis schwarz und mit weißen Speckstücken verziert. Das tote Gewebe riecht wenig appetitlich, es wirkt zäh wie eine Fußsohle - und schmeckt vermutlich nicht viel besser. Dathe würde trotzdem mal probieren, sagt sie. Aber sie will ja nicht die Kunstwerke in ihrer neuen Ausstellung zerstören.

Der australische Künstler Ian Haig kniet am 15.10.2015 in Burgrieden (Baden-Württemberg) im Museum Villa Rot hinter seiner Plastik "Some Thing".

Foto: Stefan Puchner

In der Schau „Fleischeslust“ widmet sich das Museum Villa Rot im baden-württembergischen Kreis Biberach ganz dem Muskelgewebe - nicht nur als Motiv in der Kunst, sondern auch als organischem Werkstoff. „Wir sehen immer nur die Haut, aber das, was uns ausmacht, sehen wir nicht“, sagt Dathe. Das Museum provoziert gerne. Im Sommer drehte sich alles um Duft in der Kunst, und nicht nur auf appetitliche Weise - auch ein Schamhaar-Pinsel plus Vaginalsekret und raumfüllende Schweißmoleküle verstörten die Besucher.

Kunstausstellung "Fleischeslust": Muskeln, Fett und Malereien
7 Bilder

Kunstausstellung "Fleischeslust": Muskeln, Fett und Malereien

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Auch die neue Ausstellung ist nichts für Besucher mit empfindlichen Mägen. Malereien und Fotos zeigen von Maden zerfressene Fleischjacken, eine Katze aus Hackfleisch, Schlachtabfälle und Innereien aus Benin, einen Teppich aus Mortadella und Schinken. In einer Vitrine liegen gammlige Speckschwarten. Es gibt Gegrunze zu hören und Schweinekot zu riechen. Bereits bei der Presseführung hält sich eine Reporterin angeekelt den Schal vors Gesicht. „Kunst bewegt sich im rechtsfreien Raum, auf einer anderen Ebene“, sagt Dathe.

Im 174-minütigen Video „Schnitzelporno“ zerfetzt eine Künstlerin im Zeitraffer ein Stück Schwein mit einem Fleischklopfer, in einem weiteren Clip schmust eine nackte Frau mit einem Stück Fleisch im Bett, setzt sich dann darauf, während im Hintergrund Berthold Brecht zitiert wird. Auf einem anderen Bildschirm tanzt ein Stück Leberkäse.

In der Kunsthalle hängen Stillleben-Fotografien von Hirschköpfen, Oktopussen und erlegtem Federvieh, fein angerichtet auf Tellern bei Kerzenschein. „Es geht um die Vergänglichkeit“, erklärt Dathe. Der australische Künstler Ian Haig hat eine pulsierende Plastik geschaffen, so groß wie ein Hund, eine gruselige Mischung aus Muskeln, Fett, Knochen, Innereien. „Es zeigt den Horror, die Angst vor unseren eigenen Körpern“, sagt er.

Wer bis dahin seinen Appetit noch nicht verloren hat, kann ihn mit den Werken von Iris Schieferstein herausfordern. Seit Jahren arbeitet die Berliner Künstlerin mit toten Tieren aus Schlachthäusern oder vom Straßenrand. Sie zerlegt die Kadaver und setzt sie auf abstruse Weise wieder zusammen. Ein riesiger Schweinskopf auf einer gerupften Ente, ein kleiner Hund zusammengenäht mit einem Schlangenkörper - gruselig starren einen die eingelegten Mischwesen aus ihren Kästen an.

„Natürlich muss die Kunst auch auf unangenehme Weise den Finger in die Wunder legen“, meint Ursula Hudson, die Vorsitzende von Slow Food Deutschland. Die Organisation setzt sich für den bewussten Umgang mit Lebensmitteln ein. „Wenn aus diesem Anlass nachgedacht wird, dass Fleisch ein kostbares Lebensmittel ist, dann ist es eine gute Sache.“

In der Schau versteckt sich tatsächlich viel Kritik. Ein riesiger Fleischquader aus Wachs auf einer Europalette symbolisiert die Massenproduktion von Fleisch. Zur Eröffnung will die türkischstämmige Künstlerin Nezaket Ekici komplett verschleiert mehrere Stunden lang in einem Gatter mit einem Schwein ausharren, das nach islamischem Glauben als unrein gilt. Draußen im Museumsgarten sollen Besucher selbst Kälber und Schafslämmer füttern können. „Wir sagen zu ihnen Nutztiere, aber sie sind auch Lebewesen“, sagt Dathe.

Die Idee für den Fleisch-Sessel stammt übrigens von der kanadischen Künstlerin Jana Sterbak, die bereits 1987 ein Kleid aus Ochsenfleisch nähte - lange bevor Lady Gaga 2010 mit einem solchen Dress über die Bühne stolzierte. „Wir essen Fleisch, aber wir sind auch daraus gemacht“, erklärt Sterbak. „Die Beziehung ist sehr emotional.“ Sitzfleisch hilft bei dem Rindersessel wenig - der gepökelte Bezug würde wohl reißen. Trotzdem denkt Stefanie Dahte schon über die Anschlussverwendung nach: „Ich will daraus Hundeleckerli machen.“