Sehnsucht nach dem Mond

Das Kölner Museum Wallraf-Richartz zeigt, wie sich die Wahrnehmung des Mondes in der Kunst verändert hat.

Köln. 400 Jahre, nachdem Galilei zum ersten Mal sein Teleskop auf den Mond richtete, und 40 Jahre nach Armstrongs Landung auf dem Erdtrabanten zeigt das Wallraf-Richartz-Museum die erste umfassende Ausstellung zum Himmelskörper. Das "Wallraf", wie es kurz heißt, ist eines der wichtigsten Altmeistermuseen der europäischen Kunst, eine Schatzkammer vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Und was es nicht selbst hat, holt es sich vom benachbarten Ludwig-Museum, aus dem Theatermuseum und der Universitätsbibliothek. Mit dem Mond trumpft Köln als Museumsstadt tüchtig auf.

Zu sehen ist eine spannende und witzige, von Sphärenklängen und Andachtsbildern, aber auch von Computerstationen und Mehrfachbelichtungen begleitete Schau. Ein Parcours zum Mond vom Mittelalter in die Neuzeit, mit Manets nächtlichem Himmel über der französischen Atlantikküste, mit Original-Ausgaben von Galileis "Sternenboten", aber auch mit Johann Peter Hasenclevers Groteske einer Mondsüchtigen, die die helle Scheibe anhimmelt und dabei das Licht auf ihre nackte Schulter prallen lässt.

Die Geschichte des Mondes birgt köstliche Episoden. "O schwör nicht beim Mond", heißt es auf einem der vielen Begleittexte an der Wand. Julia rief diesen Satz ihrem Romeo bei dessen nächtlichem Liebes-Schwur entgegen, weil der Mond als Sinnbild der Unbeständigkeit gilt, zumindest aus irdischer Sicht.

Im Mittelalter war dies anders. Da begleitete er die Königin des Himmels. Bei Stefan Lochners um 1442 gemalter "Muttergottes in der Rosenlaube" ist zwar kein Mondsymbol klar zu erkennen, aber Museumschef Andreas Blühm meint, das Gesicht der Maria sei so klar und rein wie ein Mond.

Die Muttergottes wurde von den Theologen des Mittelalters mit dem Mond assoziiert. Mondbilder waren Andachtsbilder, der Erdtrabant wie die Muttergottes galten als Symbole der Reinheit und mithin der Unbeflecktheit. Beide besitzen kein eigenes Licht, sondern werden von der Sonne wie vom Göttlichen angestrahlt.

Mit der Erfindung des Teleskops ließ sich diese Reinheitstheorie zumindest beim Mond nicht mehr halten. Galilei vervielfältigte 1610 das neue Antlitz des Mondes als Steinwüste und spielte erstmals die Theologen gegen die Wissenschaftler aus. Die Jesuiten gerieten aus dem Häuschen, die Katholiken scheren sich noch heute nicht darum: Maria mit Mondsichel ist ein beliebtes Motiv der Kirche geblieben.

Die Ausstellung enthält Kostbarkeiten, etwa das Selbstporträt von Rubens im Freundschaftsbild mit Galilei. Beide lebten am Hof in Mantua und begegnen einander auf Augenhöhe. Rubens wertete sich auf diese Weise als Künstler gegenüber dem Wissenschaftler auf. Das 18.Jahrhundert ist das Jahrhundert der "Mondschwemme". Alle Landschaftsmaler Europas waren vereint in dem Willen, dem Licht des Erdtrabanten sein Geheimnis zurückzugeben. Der Konzeptkünstler unter den Romantikern, Caspar David Friedrich, kombinierte den Mond gern mit einem Kreuz als Christus-Symbol. Carl Blechen, Maler und Bühnenbildner zugleich, erzeugte eine kalte, aber malerisch brillante Mondlandschaft in einem herrlichen Gemälde aus dem Lübecker Museum.

Die Ausstellung gibt eine Totale, die dennoch nicht erschlägt, weil sie pädagogisch bestens aufgearbeitet ist. Manche Bilder tauchen nicht nur im Original, sondern zugleich auf dem Bildschirm auf, wo die Besucher beobachten können, zu welcher Tages- und Jahreszeit der jeweilige Künstler den Mond beobachtet haben muss. Kinder und Erwachsene werden mit Schildern auf Themen und Fragen aufmerksam gemacht, so dass trotz der 150 Exemplare keine Langeweile entsteht.

Nur die Ausstellungsarchitektur von Nicole Hüttner - mit schwarzen Röhren, die von der Decke hängen - passt nicht zum Thema. Und der graubraune Wandanstrich schluckt die Farben auf den Bildern.