Streit: Was ist Immendorffs Nachlass wert?
Düsseldorf (dpa) - Die Kunstwerke von Jörg Immendorff, der vor bald fünf Jahren Jahren an einer unheilbaren Nervenkrankheit starb, sind auf dem Markt derzeit nicht eben gefragt. Dafür haben Gerichte umso mehr zu tun mit Nachlass und Werk des Düsseldorfer Kunstprofessors und Beuys-Schülers, der einen Hang zu Partys und zu Kokain hatte.
Gleich drei Verfahren beschäftigen derzeit das Landgericht in Düsseldorf. An diesem Dienstag sollte der spektakuläre Prozess um Erbschaftsforderungen des nichtehelichen Sohns Immendorffs in eine neue Runde gehen. Der Anwalt des heute 13-jährigen Künstlersohnes, Lothar Böhm, fordert von Witwe Oda Jaune rund 2,9 Millionen Euro.
Der geplante Gerichtsprozess ist jetzt allerdings vertagt worden. Es müssten noch weitere Schriftsätze ausgetauscht werden, sagte ein Sprecher des Düsseldorfer Landgerichts am Montag. Ein neuer Termin stehe noch nicht fest.
Als Alleinerbin hatte Immendorff kurz vor seinem Tod nur seine Frau Oda Jaune eingesetzt, mit der er eine Tochter hat, sagt Anwalt Benedikt Bräutigam der dpa. Der Sohn sei im Testament nicht bedacht worden. Dennoch hat er laut Gesetz Anspruch auf Erbe - ein Achtel des Geldwerts des Nachlasses. „Der Anspruch ist unbestritten“, sagt auch Bräutigam. 1,1 Millionen Euro habe Oda Jaune bereits bezahlt. Und das sei mehr als genug.
Das sieht der Anwalt des Sohnes nicht so. Immerhin seien 2007 Spitzenwerte für Immendorff-Werke erzielt worden, sagt Böhm. Denn in dem Streit muss der Wert von mehr als 6500 Gemälden, Skulpturen und Grafiken zum Todestag Immendorffs am 28. Mai 2007 berechnet werden. In dem Jahr residierte Immendorff, Schöpfer des Zyklus „Café Deutschland“ und des Goldporträts von Ex-Kanzler Gerhard Schröder, im Kunstkompass der 100 berühmtesten zeitgenössischen Künstler auf Platz 13. Das war ziemlich weit oben, und Immendorff wurde hoch gehandelt.
Bräutigam geht indes von einem maximalen Verkaufserlös der gesamten Werke Immendorffs am Stichtag von 12 Millionen Euro aus. Er macht dabei eine komplizierte Rechnung auf. Zunächst rechnete er einen „Paketabschlag“ ab, wie es auch beim Nachlass von Andy Warhol nach dessen Tod 1987 gemacht wurde. Hintergrund des Abzugs ist die Meinung, dass der Markt an einem Tag gar nicht eine so große Menge an Werken aufnehmen könnte.
Von den 12 Millionen müssten laut Bräutigam dann noch der übliche Galerieanteil von 50 Prozent und Steuern abgezogen werden. Blieben demnach höchstens drei Millionen Euro - ein Achtel davon wären nicht einmal 400 000 Euro, die dem Sohn insgesamt zustünden.
Der Wert des Nachlasses ist aber auch für die Zukunft von Bedeutung. Denn aus jedem Verkauf stünde dem Sohn ein Achtel des Werts zu. Wer aber kann den Wert des Erbes überhaupt berechnen und entscheiden, was Immendorff selber produzierte und was seine Werkstatt? „Gutachter können nur absolut unabhängige Personen sein“, sagt Anwalt Böhm.
Und das ist das Problem. Denn zu Immendorff, der massenweise produzierte, auch um sein Partyleben finanzieren zu können, gibt es kaum unbefangene Meinungen. Schon in einem anderen noch anhängigen Verfahren um die Echtheit eines umstrittenen Immendorff-Werks konnte das Landgericht keinen neutralen Gutachter finden.
Die einen schätzen den Nachlass heute auf bis zu 50 Millionen Euro. Der Testamentsvollstrecker und Galerist Immendorffs, Michael Werner, sagte dagegen vergangenes Jahr dem „Spiegel“: „Die Preise gehen runter, weil nach dem Tod des Künstlers Chaos entsteht.“
„Durch den Tod von Immendorff hat sich der Markt für seine Werke entgegen der allgemeinen Markttendenz deutlich nach unten bewegt“, sagt auch Robert Ketterer, Inhaber des gleichnamigen Auktionshauses in München. Grund sei nicht zuletzt die Auseinandersetzung um das Erbe, meint er. Insider sagen es deutlicher: Der Streit um den Nachlass sei ein einziger „Sumpf“.
Ein drittes Verfahren um Immendorffs Werke geht im August in eine neue Runde. Diesmal hat die Witwe Oda Jaune geklagt, und zwar gegen den Kunstberater und Freund Immendorffs, Helge Achenbach. Sie fordert ihren Anteil am Verkaufserlös der Affenskulpturen, die Achenbach für Immendorff verkaufte - rund eine halbe Million Euro. Ein weiterer Prozess läuft nach Angaben Bräutigams parallel in der Schweiz.
Achenbach seinerseits fordert Schadensersatz für nicht eingehaltene Verträge. Der einstige Vertraute des Künstlers rechnet mit einer außergerichtlichen Einigung. „Ich habe keine Lust, gegen meinen alten Freund zu klagen“, sagt Achenbach der dpa.