Umstrittener Aktionskünstler Otto Muehl gestorben

Wien (dpa) - Er gilt als einer der umstrittensten Künstler Österreichs. Mit seinen Werken versuchte Otto Muehl die Grenzen der Gesellschaft immer wieder zu überschreiten - und ging dabei deutlich zu weit.

Das radikale Schaffen des Kommunengründers stand immer im Schatten seiner siebenjährigen Haftstrafe, die er unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger verbüßen musste. Am Sonntag starb Muehl mit 87 Jahren in Portugal.

Muehl begründete mit Künstlern wie Hermann Nitsch und Günter Brus in den 1960er Jahren den Wiener Aktionismus. Der Körper selbst wurde als Material begriffen. Eine „Pissaktion“ sorgte ebenso für einen öffentlichen Skandal wie eine Aktion, bei der ein Schwein geschlachtet und die Exkremente über eine nackte Frau geschüttet wurden, begleitet von Weihnachtsliedern.

1925 in Grodnau im Burgenland geboren, studierte Muehl Germanistik, Geschichte und Kunstpädagogik und startete als Zeichentherapeut mit seinem künstlerischen Schaffen. Die Trennung zwischen Kunst und Leben aufzuheben und im befreiten, gleichberechtigten Zusammenleben gesellschaftliche Zwänge abzulegen, war Kernpunkt der sozialen Utopie des jungen Otto Muehl.

In seinen ersten künstlerischen Arbeiten beschäftigte er sich mit der Zerstörung des Tafelbildes und arbeitete an Gerümpelskulpturen. 1962 entstand das Manifest „Die Blutorgel“. Muehl zeigte sich auch als technisch versierter Maler, der etwa im Van-Gogh-Zyklus von 1984 mit Motiven der Kunstgeschichte spielt und gleichzeitig politische Themen aufgreift. Ab 2001 verwendete er bei den „Electric Paintings“ Motive und Fotografien aus seiner früheren Arbeit, verfremdet sie mittels Computer und fügt sie zu kurzen Clips zusammen.

Freie Sexualität, die anstelle der „schädlichen“ Zweier-Beziehung stehen sollte, begleitete Muehl sein gesamtes Leben. Zu diesem Zweck gründete er Anfang der 70er Jahre seine ersten Kommunen, in denen freie Sexualität gelebt wurde. In ihrer Blütezeit 1983 lebten auf dem burgenländischen Friedrichshof und in der Dependance auf La Gomera über 600 Menschen. Doch der Versuch einer radikalen gesellschaftlichen Utopie scheiterte.

Der Verfechter der freien Liebe wurde 1991 wegen Drogenmissbrauchs, Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt und verbüßte eine siebenjährige Haftstrafe. Nach seiner Entlassung lebte er gemeinsam mit einigen Künstlerfamilien weiter in einer Kommune in Portugal. Ausstellungen zu seinem Werk lösen bis heute heftige Diskussionen in seiner Heimat aus.

Lange Zeit sah sich der 1925 im Burgenland geborene Muehl als Opfer der Justiz. Erst 2010 entschuldigte er sich im Zuge einer Ausstellung im Wiener Leopold Museum erstmals für seine Taten. Er habe seine Wirkung bei den Kinder und Jugendlichen als „Häuptling“ der Kommune unterschätzt. „Ich wollte sie befreien und habe sie mit sexueller Überschreitung stattdessen überrumpelt und gekränkt“, hieß es in dem für die Öffentlichkeit bestimmten Brief. Damals war der Aktionist bereits stark von seiner Parkinson-Krankheit gezeichnet.

„Was die RAF im Politischen, das ist Otto Muehl im Sexuellen: der Punkt, an dem die Sache mit der Befreiung in ihr Gegenteil kippt“, resümierte die Philosophin Isolde Charim in einer Reaktion auf Muehls Entschuldigung damals. Jüngst ist das gescheiterte Experiment von Muehl wieder in den Schlagzeilen gewesen. Paul-Julien Robert, der 1979 am Friedrichshof geboren wurde, verarbeitete seine Kindheit in dem Dokumentarfilm mit dem vielsagenden Titel „Meine keine Familie“.