Pop: Die Isländer können auch fröhlich sein

Kommt die Sprache auf die Pop-Nation Island, fällt vielen nur Björk ein. Retro Stefson treten an, um das zu ändern — mit vielschichtiger Gute-Laune-Musik.

Düsseldorf. Wie in einem abgelegenen isländischen Hafen, dessen einzige Betriebsamkeit die Wiederkehr der alten Fischerjolle ist, liegt noch eine beschützende Ruhe über der jungen Band Retro Stefson. Doch schon bald könnte es sehr stürmisch werden — im positiven Sinn. Denn „Kimbabwe“, ihr zweites Album, steht in den Startlöchern und hat durchaus gute Chancen, eine der Platten dieses Sommers zu werden.

Die Geschichte dahinter mag man kaum glauben: Die siebenköpfige Band aus Reykjavik kennt sich schon aus dem Kindergarten, ist gemeinsam zur Schule gegangen, entwickelte im Laufe der Zeit ähnliche musikalische Interessen und schloss sich irgendwann zu einer Band zusammen. Dabei ist die Zeit auf dem Schulhof noch gar nicht so lange her: Das jüngste Mitglied der Band ist erst 21, und alle anderen Musiker sind nur wenige Jahre älter.

Entsprechend ungläubig blickt man drein, wenn Sänger Logi Pedro Stefánsson über die musikalischen Anfänge erzählt: „Musik machen wir alle schon seit ungefähr 14 Jahren. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis wir gemeinsam im Probenraum landen würden. Mit Retro Stefson haben wir vor fünfeinhalb Jahren angefangen.“

Ihre Musik unterstreicht ihre Sonderstellung, denn sie spielen alles, was sie mögen, nur nicht das, wofür Island in der Musikwelt bekannt ist — sphärischen Kunst-Pop à la Sigur Rós oder Björk. Dabei ist Sänger Stefánsson sogar ein großer Fan: „Wir wollen gar keine Gegenbewegung lostreten. Ganz im Gegenteil: Wir lassen uns natürlich auch von diesen Musikern beeinflussen, die wir alle in der Band sehr schätzen.“

Entsprechend ist „Kimbabwe“ eine wilde Mischung verschiedenster Genres, die so gekonnt nur selten miteinander vermengt werden. Die Palette reicht von Jazz, Afrobeat und Noise über Techno und Disco bis hin zu Eurodance und Heavy Metal, die schlussendlich unter dem Banner des Pop auf einen Nenner gebracht werden. Ein bestimmtes Motiv verfolgt die Band dabei nicht. Sie will mit ihrer Musik keine gezielte Aussage verbreiten, sondern bloß viel Spaß haben, vor allem aber das Publikum immer wieder aufs Neue überraschen.

Die vielen, wild durcheinander eingesetzten Musikstile sind nur ein Teil dieser Überraschungs-Taktik, mit der die junge Band ihre Fans immer wieder liebevoll vor den Kopf stößt. Schließlich wäre es ja auch langweilig, immerzu den gleichen Song zu spielen.

Seit rund vier Jahren ist die Band gemeinsam auf Tour und dokumentiert akribisch ihr Leben „on the road“. Stetig fotografieren sich Retro Stefson vor, während und nach ihren Auftritten und schaffen so eine ungewöhnlich intensive Nähe zu ihren Fans.

Dadurch vermitteln sie eines ganz deutlich, was bei so jungen Menschen, die auch noch in einer Gruppe zusammenarbeiten, nicht ganz selbstverständlich ist: Harmonie. Ähnlich sieht das auch Stefánsson: „Tatsächlich läuft alles sehr harmonisch bei uns ab. Aber natürlich lässt sich auch so etwas wie Streit nicht vermeiden. Die meisten Auseinandersetzungen haben allerdings mein Bruder und ich. Wir sind die Problemkinder in der sonst so harmonischen Familie.“

Besonders als Liveband sind Retro Stefson großartig. So sehr, dass man sich als Hauptband sogar fürchten muss, den Teppich unter den Füßen weggezogen zu bekommen, wenn man sie fürs Vorprogramm engagiert. Live wird aus der Musik der Isländer ein unvergleichlich harmonisches Beat-Konstrukt, das zwar ständig droht auseinanderzufallen, das Publikum dadurch aber umso mehr in seinen Bann zieht.

Auf die Frage nach ihrer Zukunft antwortet Stefánsson: „Wir hoffen auf jeden Fall, dass unsere Fangemeinde auf dem europäischen Festland weiter wächst.“ Nicht unwahrscheinlich, dass genau das eintritt.