The Eagles: Acht Stimmen für ein Hotel California
Die Band verzaubert 14 500 Besucher in der Kölnarena: ein melancholischer, ein furioser Abend.
Köln. Fast drei Stunden und 27 Songs später kennt die Begeisterung keine Grenzen mehr: Beinah schüchtern, vor allem aber sehr höflich schreiten die in Ehre ergrauten vier Männer gemächlich die Bühne ab, genießen sichtlich den Applaus, der wellenartig immer wieder neu aufbrandet: Die Menschen lächeln verzückt, strahlen, jubeln.
The Eagles in Köln - für die treue Anhängerschar ein Ereignis. Eine perfekte Show mit einem selten klaren Sound, dezenten Lichtspielen und sparsamen Videoprojektionen: Im Mittelpunkt stehen die Musik und dieser unvergleichliche Harmoniegesang, in dessen Kuscheligkeit man sich nur allzu gerne hineinlegen möchte.
Eine echte Ü 40-Veranstaltung. Nur wenige jüngere Besuchern sind im weiten Rund der Arena auszumachen. Mit den Wurzeln in den frühen Siebzigern, haben sich die Eagles in diesem Jahrtausend wieder neue Fans erspielt; nicht zuletzt durch das mächtige Doppelalbum "Long road out of Eden" aus dem Jahr 2007.
Im bestuhlten Innenraum der Halle wächst die Aufregung. Kurz vor 20 Uhr machen sich die Lichttechniker auf, klettern die wackeligen Leitern in die Höhe zu den Spots. Ein Arbeiter fegt die Bühne ab. Mittendrin wandelt kein Geringerer als Wolfgang Niedecken zwischen Schlagzeug, Keyboards und Boxen über die Bühne. Gibt er einen Gastauftritt? Zwei Minuten später gehen die Lichter aus. Beifall brandet auf. Die Stimmung ist jetzt schon gut.
Und dann stehen sie da in einer Reihe: Glenn Frey, Don Henley, Joe Walsh und Timothy B. Schmit. Sie tragen schwarze Anzüge, weiße Hemden, schwarze Krawatten.Elegant - wie die gesamte Inszenierung ihrer Show. Nichts bleibt dem Zufall überlassen, wenn ihr Westcoast-Countyrock erklingt.
Da sitzt jeder Ton, da passt jede Geste. Die virtuosen Saiten-Könner überzeugen mit unaufgeregter Leidenschaft und entspannter Routine. Drei Lieder von "Long road out of Eden" eröffnen die Nacht. Und sofort hat jeder "Adler" einen ersten Solo-Part. Das Publikum geht begeistert mit. Das Feld für Großes ist bereitet. Und das folgt auf dem Fuß...
Im Hintergrund steigt ein Trompeter in einen roten Lichtkegel, den Cowboyhut tief in die Stirn gezogen. Mexikanisch muten die Tonfolgen an. Ein Spot rückt Stewart Smith, den so genannten "fünften Eagle", mit seiner Doppelhalsgitarre in den Fokus. Und noch bevor er die ersten Töne zupft, tobt die Halle. "Hotel California", dieses Ungetüm, dieses Jahrhundert-Stück, kündigt sich an - und die Band spielt sich in einen Rausch.
Mit gebrochener Stimme singt Don Henley inzwischen hinter dem Schlagzeug sitzend von verlorenen Träumen und sich nicht erfüllenden Hoffnungen. Dazu schwelgt im Refrain ein achtstimmiger Chor, der in dem musikalischen Drama dem Zuhörer eine Gänsehaut beschert. Joe Walsh und Stewart Smith liefern sich atemlose Gitarrenduelle. Eine Soundwand bäumt sich auf - voll protziger Pracht und wütender Wucht. Unglaublich! Das Konzert wird zum Selbstläufer.
Es folgen Hit auf Hit: mal druckvoll, mal entschleunigt. Sei es der kristallklare, hohe Gesang von Bassist Smit (rührend: I can't tell you why") oder das strubbelige, raue Rocken von Joe Walsh (ein echter Clown bei "Life's been good"): Die Eagles holen aus all ihren Perioden das Beste heraus. Und sie kokettieren mit ihrer Vergangenheit, wenn Genn Frey darüber sinniert, dass man früher in zwei Tagen einen neuen Song geschrieben hatte. "Früher waren wir in allem schneller", fügt er an.
Reich an Höhepunkten sind beide Hälften des Konzerts. Gestützt auf acht Mitmusiker sind die verbliebenen "Alt-Adler" keineswegs flügellahm. Sie begleiten sie durch komplexe neue Songs, wie den Titeltrack des letzten Albums. Das zehnminütige "Long way out of Eden" gerät zu einer Live-Perle. Trommelschläge wie Bombeneinschläge, Gitarrenriffs wie Gewehrsalven: der Abgesang auf die Bush-Ära und die Kritik an der "Roadmap" der USA ist eine Country-Rock-Oper im Miniformat.
"Take it Easy" und "Desperado" schließen die Nacht. Melancholie schwingt mit. War diese "Long Road" vielleicht der letzte Trip über den Ozean für die Band? Wahlscheinlich ist es. Ach, ja: Niedecken ist nicht aufgetreten. Sein knarziges Kölsch-Organ in einem feine Eagles-Titel: Ich hätte das gern gehört.