Meinung Ein verhängnisvolles Signal
Kein Tötungsvorsatz, kein Mord. Der Fall des illegalen Autorennens in Berlin, bei dem ein Unbeteiligter zu Tode kam, führt nun doch nicht zu einer Wende in der Rechtsprechung. Es bleibt dabei, dass solche Fälle weiterhin nur als fahrlässige Tötung bestraft werden.
Der Bundesgerichtshof argumentiert: In dem Moment, als die Raser in den Kreuzungsbereich einfuhren, wo einer von ihnen mit dem unbeteiligten Opfer kollidierte, waren sie unfähig, noch zu reagieren. Sie konnten daher zu diesem Zeitpunkt keinen Vorsatz haben — bleibt nur fahrlässige Tötung.
Eine seltsame Argumentation. Schon bevor die beiden Raser in den Kreuzungsbereich einfuhren, hatten sie mit teilweise 170 Stundenkilometern mehrere Kreuzungen passiert. Überall dort hätten sie einen Autofahrer oder auch Fußgänger in den Tod reißen können. Ab dem Moment, da sie ihre Gaspedale tief heruntertraten, wussten sie doch, dass eben das passieren kann. Sie wussten, dass sie bei diesem halsbrecherischen Tempo in der Innenstadt all ihre Reaktionsmöglichkeiten aus der Hand geben. Genau dieses bewusst eingegangene Risiko hat sich realisiert.
Freilich sind die Bundesrichter bestens mit den juristischen Feinheiten der Abgrenzung von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit vertraut. Doch von dem dabei herausgekommen Urteil könnte ein verhängnisvolles Signal ausgehen. Für alle Raser bleibt vor allem eines hängen: Mord ist das nicht. Und: So schlimm ist unser Tun doch nicht.
Ist es doch. Wegen dieser primitiven Art, sich selbst zu beweisen, mussten schon mehrfach Menschen sterben. Immerhin hat der Gesetzgeber 2017 bereits die Teilnahme an illegalen Autorennen unter Strafe gestellt. Kommt dabei jemand zu Tode, drohen zehn Jahre Haft. Das war ein überfälliges Bekenntnis. Die Richter hätten es im Sinne einer besseren Abschreckung verstärken können. Dass sie es nicht taten, lässt nicht nur die Angehörigen des in Berlin aus dem Leben gerissenen Mannes zornig zurück.