Meinung Essener Tafel - Die Falschen am Pranger

Die Mitarbeiter der Essener Tafel dürften nervenaufreibende Tage hinter sich haben. Die ehrenamtlichen Helfer des gemeinnützigen Vereins, die seit Jahren ihre Freizeit investieren, um die gröbste Not anderer Menschen zu lindern (und zwar unabhängig von deren Herkunft), stehen seit dem Bekanntwerden des vorläufigen Versorgungsstopps für ausländische Kunden auch politisch unter Beschuss.

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Zuletzt hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Entscheidung dahingehend kritisiert, dass „man nicht solche Kategorisierungen vornehmen“ solle. Das sei nicht gut. Einen Gefallen hat sie sich damit nicht getan.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Es gibt gute Gründe, den Weg der Essener Tafel abzulehnen, die Anspruchsberechtigung für die Tafel vom Pass abhängig zu machen. Die Mitarbeiter des Vereins mussten in einer schwierigen Situation eine Entscheidung treffen, die mutmaßlich so oder so ihre moralischen Fallstricke gehabt hätte. Wenn es tatsächlich einen Verdrängungsprozess bei der Ausgabe von Lebensmitteln gibt, muss man dies offen thematisieren und sich um eine Lösung bemühen, was derzeit ja auch geschieht.

Von der Politik darf man aber mehr erwarten, als wohlfeil mit dem Finger auf Ehrenamtliche zu zeigen, die dort anpacken, wo der Staat es nicht tut. Oder nicht kann. Dass ausgerechnet die Stützen der Gesellschaft in diesen Tagen als Rassisten oder Nazis beschimpft werden, ist nicht nur ungerecht — es ist absurd.

Denn Armut ist in Deutschland allgegenwärtig — und das trotz eines Rekordüberschusses von 36,6 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Es ist eine verheerende Entwicklung, wenn Bedürftige in einer Wohlstandsgesellschaft in eine Konkurrenzsituation zueinander geraten. Es wäre ein erster Schritt, diesen Missstand mit der gebotenen Empathie anzuerkennen und ehrenamtlichem Engagement einschränkungslos Respekt zu zollen. Die Zeit für Besserwisserei ist jetzt nicht.