Meinung Besser Nachrüsten als Fahrverbote verhängen

Was soll das denn bitte? Da wartet die ganze Republik auf eine Entscheidung zu möglichen Fahrverboten für Diesel-Pkw — und wird dann auf nächsten Dienstag vertröstet. Das Bundesverwaltungsgericht hat noch Beratungsbedarf, so heißt es.

Foto: Sergej Lepke

Schwer nachvollziehbar ist dies deshalb, weil der Senat das Für und Wider seit etlichen Monaten sorgfältig abwägen konnte. Neue Argumente liegen seit der Verhandlung gestern nicht auf dem Tisch.

Wie immer das Urteil auch ausfällt: Es besteht dringender Handlungsbedarf. Selbst wenn sich die Richter im Sinne der Dieselfahrer entscheiden und die Rechtsgrundlagen für Verbote nicht ausreichend fänden, hätte das nur aufschiebende Wirkung. Denn Druck kommt auch aus Brüssel. Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der hohen Stickoxid-Belastung in Ballungsräumen eingeleitet. Zudem will Brüssel Berlin vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen — und damit erzwingen, dass Deutschland endlich für bessere Luft in den Städten sorgt. Der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid gilt seit 2010 und wird seitdem in Dutzenden von Städten immer wieder überschritten. Nach einer Studie des Umweltbundesamtes sterben in Deutschland jährlich 6000 Menschen vorzeitig an Herz-Kreislauferkrankungen, die von Stickstoffdioxid ausgelöst werden.

Unstrittig ist, dass Diesel-Pkw Hauptverursacher der schlechten Luft in den Städten sind. Fahrverbote für diese Autos könnten mittels Hardware-Nachrüstung trotzdem ganz leicht vermieden werden. Zwischen 70 und 90 Prozent der Stickoxide lassen sich mit Hilfe von Harnstoff in harmlosen Wasserstoff und Stickstoff umwandeln. Untersuchungen zeigen, dass das bei fast allen Diesel-Pkw mit Euro 4 und Euro 5 möglich ist. Es geht um 9,3 Millionen Autos. Kosten pro Fahrzeug: durchschnittlich etwa 2000 Euro. Macht also 18,6 Milliarden Euro.

Dass die Dieselfahrer das bezahlen, wäre ein Skandal. Dass die Autoindustrie die Kosten übernimmt, wäre wünschenswert, ist rechtlich aber nicht durchsetzbar, denn die Dreckschleudern sind wegen schlampiger Gesetze legal auf den Straßen unterwegs. Mögliche Lösung: Der Staat verzichtet darauf, Diesel-Kraftstoff zu subventionieren und bezahlt mit diesen zehn Milliarden Euro pro Jahr die Nachrüstung der Autos. Fehlt der Politik dazu der Mumm, werden Gerichte über kurz oder lang Fahrverbote erzwingen. Denn die dreckige Luft verschwindet nicht durch Nichtstun.