Meinung Zweifelhafte Transparenz der Ärztebewertung

Wenn das kein Widerspruch ist: Der Bundesgerichtshof (BGH) gibt einer Ärztin recht, die die „vollständige Löschung“ ihres Eintrags auf dem Ärztebewertungsportal Jameda verlangt. Kurze Zeit später aber verkündet Jameda, dass Patienten auf seinem Portal weiterhin alle niedergelassenen Ärzte finden.

Foto: Sergej Lepke

Allerdings: Die Kölner Dermatologin, die sich gerade spektakulär aus dem Portal herausgeklagt hat, ist dort am Dienstag nicht mehr auffindbar. Sie hat sich nicht nur für sich und viele Kollegen in die Schlacht geworfen. Ihr Sieg ist auch positiv im Sinne unabhängiger Patienteninformation.

Die Arztperspektive: Wer als Arzt kein Werbepaket (59 bis 139 Euro monatlich) buchte, musste hinnehmen, dass ein potenzieller Patient, der sein Profil anklickte, die Profile zahlender Ärzte in der Nähe eingeblendet bekam. Umgekehrt blieb der zahlende Arzt vom Hinweis auf die Konkurrenz verschont. So wurde unter Ärzten eine Zweiklassengesellschaft geschaffen. Wer nicht zahlte, hatte das Nachsehen. Damit sei Jameda kein „neutraler Informationsmittler“, hat der BGH noch zurückhaltend formuliert. Und könne sich nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen. Die Anwältin der Ärztin war da deutlicher und sprach gar von „Schutzgelderpressung“.

Die Patientenperspektive: Zwar sind Tests und Bewertungen ganz im Sinne der Verbrauchertransparenz. Diese stehen und fallen aber mit der Seriosität der Tester. Die Stiftung Warentest leistet hier seit Jahrzehnten Großes. Wenn das Ganze aber mit einem Geschäftsmodell vermengt wird, das Zahler besser behandelt als Nichtzahler, so führt das zum Gegenteil von Transparenz. Wenn diese nur im Rahmen eines wirtschaftlich vorgegebenen Rahmens funktioniert, wird der Verbraucher in die Irre geleitet.

Nun hat Jameda zugesagt, das vom Gericht sanktionierte Anzeigenmodell aufzugeben. Doch auch dann bleibt der Wert für den Patienten zweifelhaft. Wer sich auf dem Portal durch einzelne Arztbewertungen klickt und dabei auf emotional gesteuerte Positiv- oder Negativbewertungen stößt, die schon gar nicht repräsentativ sind, muss ohnehin zu dem Schluss kommen: Die Urteile haben wohl weniger etwas mit der Leistung des Arztes als mit dem Gemütszustand eines sich gut oder schlecht behandelt fühlenden Patienten zu tun. Warum eigentlich soll man auf das Urteil eines euphorisch lobenden oder aber frustriert ablästernden Anonymus etwas geben?